Die Überlieferung berichtet von Jesajas Märtyrertod unter König Manasse (vgl. 2. Kön 21, 16), weil er es gewagt hatte, Jerusalem mit Sodom und Gomorra zu vergleichen (Jes 1, 10). Manasse, der völlig abhängig von Assyrien regieren musste, hatte eine Verwässerung der alleinigen Verehrung יהוה, sogar Totenkulte und Kinderopfer, wieder zugelassen, was Jesaja schärfstens kritisierte. Jesaja sei in einen hohlen Baum geflohen, den der König mit ihm habe durchsägen lassen (vgl. Hebr. 11, 37).
Das Martyrium Jesajas (=MartJes) ist ein Bestandteil der heiligen Schriften, dass seit Hieronymus es als Ascensio Jesaiae bezeichnete so heißt und eine urtextliche Schrift aus dem 3. Jh. n. Chr.
darstellt. In dem Martyriumsbericht wird geschildert, wie Jesaja unter König Manasse, dem Sohn des Hiskia, sein Martyrium erlebt. Der Prophet wird aufgrund der Anklage des Lügenpropheten Belchira
verfolgt und soll mit dem Tod durch die Säge bestraft werden. Jesaja flüchtet in einen Baum, wo er lebendig auf grausame Weise zersägt wird. Die Schrift zeichnet Jesaja in erster Linie nicht als
Seher und Prediger, sondern als vorbildlich lebenden Märtyrerpropheten, der seinen Tod schließlich allein auf sich nimmt und die anderen Propheten vor seinem Tod noch zur Flucht auffordert, um sie zu
schützen. Insgesamt nimmt die Schilderung des Todes allerdings keinen großen Raum ein. Ein wesentliches Anliegen der Schrift war es, die Hintergründe des Todes eines der wichtigsten biblischen
Propheten in einem eigenständigen Werk zu schildern und dem Propheten Jesaja auch als Märtyrer ein besonderes Andenken zu bewahren. Die Hinrichtung Jesajas durch Zersägung ist seit dem 1. Jh. v. Chr.
fest mit dem Namen des Propheten verbunden, geht aber vermutlich auf noch ältere, mündliche Tradition zurück. Hebr 11,37 spielt auf Jesajas brutalen Tod an; in den Vitae Prophetarum aus dem 1. Jh. v.
Chr. findet sich ein weiterer, aber nur kurzer Beleg für Jesajas Hinrichtung durch die Säge unter Manasse. Das Zersägen bzw. die „Zweiteilung“ galt in der Antike zunächst als seltene und äußerst
brutale Form der Hinrichtung, insbesondere als rituelle Strafe für Gottesfeinde und Sakralfrevler.
Der gewaltsame Tod Jesajas durch Zersägung ist in der jüdischen und christlichen Tradition breit verankert. Die historische und traditionsgeschichtliche Bedeutung der
brutalen Todesart Jesajas ist allerdings bisher ungeklärt und hat Anlass zu verschiedenen Meinungen gegeben.
1. Da die Säge als Folterinstrument für Gottesfrevler galt, könnte hinter Jesajas Todesurteil die Anklage wegen „Blasphemie“ und „Gotteslästerung“ stehen. Genau dieser Vorwurf findet sich in MartJes 4,6-10 im Mund des Lügen-propheten Belchira:
Nun verklagte Belchira den Isaias und die Propheten bei ihm, indem er sagte: „Jesaja und seine Genossen weissagen gegen Jerusalem und die Städte Judas, sie sollen verwüstet werden, ebenso gegen die Kinder Judas und Benjamins, sie würden in die Gefangenschaft wandern, und auch gegen dich, Herr König, du würdest mit Haken und Eisenketten gebunden, dahinziehen. Aber sie weissagen Lügenworte über Israel und Juda. Jesaja selbst sagte: Ich sehe mehr als Moses, der Prophet. Moses sagte zwar: „Niemand kann Gott sehen und dabei am Leben bleiben“, aber Isaias sagte: „Ich sah Gott und fürwahr, ich lebe noch.“ Erkenne daraus, König, dass er ein Lügner ist!
2. Der Tod Jesajas hat sein Grund auch darin, dass Manasse unter dem Einfluss des Satans steht. In expliziter Anlehnung an das biblische Geschichtswerk betont MartJes die besondere
Gottlosigkeit dieses Königs. Unter Manasse, der politisch in Abhängigkeit von Assyrien geriet und den fremden Staatskult in Jerusalem tolerierte und förderte, lebte auch der von seinem Vater
abgeschaffte Baal-Kult wieder auf. Politische und religiöse Oppositionelle wurden hart bestraft; die gegen sein Gewaltregime Widerstand leistenden Frommen endeten im Martyrium. Die in der biblischen
Darstellung besondere Frevelhaftigkeit und Brutalität des Manasse sowie seine Verfolgung der Frommen bieten auch den Hintergrund für die Schilderung des Martyriums des Jesaja.
Welcher Anklagepunkt letztlich zur Hinrichtung Jesajas geführt haben soll, lässt auch diese Schrift offen. Die traditionsgeschichtliche Herleitung des ungewöhnlichen Todes bleibt aufgrund der
Quellenlage unklar. Der Fokus der Anklage gegen Jesaja liegt nämlich auch in MartJes nicht allein auf dem Vorwurf, ein „Lügenprophet“ und „Gotteslästerer“ zu sein, sondern umfasst Vorwürfe, die mit
Jesajas Weissagungen gegen Jerusalem und den König zusammenhängen. Überhaupt zeigt das Werk kein Interesse an rechtlichen Fragen, vielmehr steht die dramatische Verfolgung und Denunzierung Belchiras
im Vordergrund. -> Der Originaltext anbei:
3. Kapitel:
1Nach des Hiskija Tod war Manasses König geworden; er dachte aber nicht mehr an die Gebote seines Vaters Hiskija, sondern vergaß sie; denn Sammael ließ sich auf Manasses nieder und umklammerte ihn.
Dieser hatte an Jerusalem wegen dea Manasses seine Freude und er bestärkte ihn in der Verführung zum Abfall und in der Zügellosigkeit, die in Jerusalem verbreitet war.
endlich die Verfolgung der Gerechten durch Manasses, durch Belachira,
durch den Kanaaniter Tobias, durch Johannes von Anatoth und durch den Oberaufseher der Arbeiten, Sadok.
aufgezeichnet.
ebenso die Verehrung des Satans und sein Possenspiel, entwich er aus Jerusalem und ließ sich in Bethlehem Juda nieder.
und ließ sich auf einen Berg in der Wüste nieder.
sowie sein Sohn Jasub gleichfalls zurück, samt vielen Gläubigen, die an die Himmelfahrt glaubten, und ließen sich auf dem Berge nieder.
Sie hatten nichts bei sich, sondern waren nackt und sie trauerten tief über Israels Abfall.
kochten und gemeinsam mit dem Propheten Isaias verspeisten. So brachten sie zwei Jahre auf den Bergen und Hügeln zu.
er lebte gleichzeitig mit dem Propheten Sedekias; sie waren auch bei Samarias König Achazja, dem Sohn des Achab.
„Jesaja und seine Genossen weissagen gegen Jerusalem und die Städte Judas,
sie sollen verwüstet werden, ebenso gegen die Kinder Judas und Benjamins,
sie würden in die Gefangenschaft wandern, und auch gegen dich, Herr König,
du würdest mit Haken und Eisenketten gebunden, dahinziehen.
aber Jesaja sagte: „Ich sah Gott und fürwahr, ich lebe noch.“
ebenso all die Lügenpropheten; sie lachten und äußerten ihre Schadenfreude über Jesaja.
Und „Die Wege des Manasses sind gut und recht.“
Dann will ich ihren Sinn ändern und den Manasses samt den Fürsten Judas und dem Volk und ganz Jerusalem dahin bringen, daß sie dich verehren.
Sei verflucht und verwünscht, du, all deine Mächte und dein ganzes Haus!