1. Henochbuch

Erster Henoch

 

Einleitung: Henochs Bilderrede vom Weltgericht 1–5
1. Kapitel:
1
Henochs Segensworte,

womit er die Auserwählten und Frommen segnete,
die am Tag der Trübsal noch leben,
während alle Gottlosen und Sünder beseitigt werden.

2
Henoch, ein gerechter Mann,

begann seine Bilderrede also;
seine Augen waren von Gott geöffnet worden,
und so sah er die Erscheinung des Heiligen im Himmel. –
Ihn ließen mich die Engel schauen,
und von ihnen vernahm ich alles,
und durch sie verstand ich auch alles, was ich sah,
aber nicht für dieses Geschlecht, sondern für ein künftiges.

3
Ich spreche von den Auserwählten

und beginne meine Bilderrede über sie:
Es zieht der Heilige von seinem Wohnsitz aus.

4
Der ewige Gott betritt die Erde auf dem Berge Sinai

(und er erscheint aus seinem Lager)
und er erscheint in seiner Stärke Macht vom höchsten Himmel her.

5
Und alles wird mit Furcht erfüllt;

die Wächter zittern,
und große Angst und Furcht kommt über sie
bis an der Erde Enden.

6
Die hohen Berge werden beben,

die hohen Hügel niedersinken
und schmelzen gleich dem Wachse in der Flamme.

7
Zerrissen wird die Erde,

und alles auf der Erde wird vergehen,
und alles wird gerichtet werden.

8
Doch mit den Frommen schließt Er Frieden

und schützt die Auserwählten
und Gnade waltet über ihnen.

[356]

Sie werden alle Gottes Eigentum
und sind im Glücke und gesegnet.
Er selber unterstützt sie alle
und Gottes Licht wird ihnen scheinen.
Er selber schließt mit ihnen Frieden.

9
Fürwahr! Er kommt mit Tausenden von Heiligen,

um über alle das Gericht zu halten
und alle Übeltäter zu vernichten
und alles Fleisch zurechtzuweisen
der schlimmen Taten wegen,
die sie so frevlerisch begingen,
sowie der kühnen Worte halber,
die gegen Ihn die Sünder frevelhaft gesprochen.

 

2. Kapitel
1
Beachtet doch,

wie an dem Himmel keins der Werke seine Bahn je ändert,
und wie die Lichter an dem Himmel alle auf- und untergehen,
ein jedes zu der festgesetzten Zeit
und wie sie niemals ihre eigene Ordnung übertreten!

2
Betrachtet doch die Erde!

Beachtet auch die Werke,
die da von Anfang bis zum Ende drauf geschehen,
wie sich davon auf Erden keines ändert,
wie vielmehr alle Werke Gottes für euch sichtbar werden!

3
Betrachtet doch den Sommer und den Winter,

wie da die ganze Erde voll von Wasser ist
und Wolken, Tau und Regen sich darüber lagern!

 

3. Kapitel
1
Beobachtet und sehet,

wie alle Bäume ausschauen,
als wären sie verdorrt
und hätten alle ihre Blätter abgeworfen,
mit Ausnahme von vierzehn Bäumen,
die nicht ihr Laub abwerfen,
vielmehr das alte zwei bis drei Jahre behalten,
bis daß das neue kommt!

 

4. Kapitel
1
Beobachtet, wie in der Sommerszeit die Sonne über der Erde

und dieser gegenübersteht!
Dann suchet ihr der Sonnenhitze wegen kühle Plätze auf und Schatten;
dann ist die Erde dauernd heiß,

[357]

daß ihr nicht auf den Erdboden
und nicht auf einen Stein, der Hitze wegen, treten könnt.

 

5. Kapitel:
1
Beobachtet,

wie sich die Bäume auch mit Blättergrün bedecken
und jede Frucht davon zu Gottes Ehr und Ruhme dient!
Habt acht und merkt auf seine Werke all!
Alsdann erkennet ihr,
daß der Lebendige sie so gemacht.

2
All seine Werke, die er schuf,

geschehen von Jahr zu Jahr in gleicher Weise
und alle Aufgaben, die sie für ihn vollbringen,
verändern sich in keiner Art;
vielmehr, wie Gott befiehlt, vollzieht sich alles.

3
Seht, wie das Meer und wie die Flüsse gleich den Dienst verrichten!
4
Doch ihr! Ihr habt nicht ausgeharrt

und nicht des Herrn Gesetz erfüllt.
Ihr seid ja abgefallen
und habt durch trotzige, hochfahrende Worte
aus eurem Munde seine Majestät geschmäht.
Ihr Hartherzigen!
Ihr werdet keinen Frieden finden.

5
Darum verflucht ihr alsdann eure Tage

und gehet eurer Lebensjahre ganz verlustig
und euerer Verdammnis Jahre
die sollen durch ewigen Fluch vermehrt werden;
ihr werdet keine Gnade finden.

6
Dann gebet ihr den Frommen euren Namen hin,

daß sie werden dann bei euch, all ihr Verfluchten, fluchen,
bei euch, ihr Sünder und ihr Missetäter alle, schwören.

7
Den Auserwählten aber wird dann Frieden, Licht zuteil und Freude;

doch euch, ihr Frevler, trifft der Fluch.

8
Und Weisheit wird verliehen den Auserwählten;

sie leben all und sündigen nicht mehr,
nicht aus Versehen noch aus Übermut,
und Licht wird im erleuchteten,
Verstand im klugen Menschen sein.

9
Sie werden nicht mehr sündigen

und nicht gerichtet werden, alle ihre Lebenstage,
und nicht durch Gottes Zornglut sterben;
sie werden vielmehr ihrer Lebenstage Zahl vollenden.
Im Frieden wird ihr Leben zunehmen,
und ihrer Jahre Wonne werden viele sein
in ewigem Jubel und im Frieden durch ihr ganzes Leben.

 

[358]
Der erste Teil: Das Engelsbuch 6–36
6. Kapitel: Fall der Engel
1
Als sich die Menschenkinder vermehrten,

wurden ihnen damals schöne und liebliche Töchter geboren.

2
Als die Engel, die Himmelssöhne, sie erblickten,

gelüstete es sie nach ihnen,
und sie sprachen zueinander:
„Wir wollen uns Weiber aus den Menschenkindern wählen
und uns Kinder erzeugen!“

3
Da sprach ihr Anführer Semjaza zu ihnen:

Ich fürchte,
daß ihr dies nicht ausführen wollet,
und dann müßte ich allein die Strafe für eine große Sünde bezahlen.

4
Da antworteten ihm alle:

Wir wollen alle einen Eid schwören
und uns durch gegenseitige Verwünschungen verpflichten,
diesen Plan nicht aufzugeben,
sondern ihn auszuführen.

5
Da schwuren alle zusammen

und verpflichteten sich dazu durch gegenseitige Verwünschungen.

6
Es waren in allem zweihundert,

die in Jareds Tagen zum Gipfel des Hermonsberges herabstiegen.
Sie nannten ihn Hermon,
weil sie darauf geschworen
und sich durch gegenseitige Verwünschungen gebunden hatten.

7
So hießen ihre Anführer: Semjaza, ihrer Oberster, Arakiba, Rameel,

Kokabiel, Tamiel, Ramiel, Danel,
Ezekeel, Barakijal, Azael, Armaros,
Batarel, Ananel, Sakiel,
Samsapeel, Satarel, Turel, Jomjael und Sariel.

8
Dies sind ihre Vorsteher über zehn.

 

7. Kapitel
1
Alle andern bei ihnen nahmen sich Weiber,

und jeder von ihnen wählte sich eines aus.
Dann begannen sie, zu ihnen zu gehen und sich an ihnen zu verunreinigen.
Und sie lehrten sie Zaubermittel, Beschwörungen und Wurzelschneiden
und machten sie mit Pflanzen bekannt.

2
Sie wurden nun schwanger

und gebaren Riesen, die 3000 Ellen groß waren.

3
Diese verzehrten alle Vorräte der andern Menschen.

Als aber die Leute ihnen nichts mehr geben konnten,

4
wandten sich die Riesen gegen diese und fraßen sie auf.
5
Und sie begannen,
[359]

sich an den Vögeln, wilden Tieren, Kriechtieren und Fischen zu vergreifen,
das Fleisch voneinander aufzufressen
und das Blut zu trinken.

6
Da klagte die Erde wider die Unholde.

 

8. Kapitel
1
Azazel lehrte die Menschen Schwerter,

Messer, Schilde und Brustpanzer machen
und zeigte ihnen die Metalle und die Art ihrer Bearbeitung,
Armspangen, Schmucksachen,
den Gebrauch der Augenschminke und das Verschönern der Augenlider,
alle Arten von Edelsteinen und allerhand Färbemittel.

2
So herrschte viel Gottlosigkeit;

sie trieben Unzucht, gerieten auf Abwege
und waren auf all ihren Pfaden verderbt.

3
Semjaza lehrte Beschwörungen und Wurzelschneiden,

Armaros das Lösen der Beschwörungen,
Barakijal die Astrologie, Kokabel die Sternbilderkunde,
Ezekeel die Wolkenschau, Arakiel die Erdzeichen,
Samsiel die Zeichen der Sonne und Sariel den Mondlauf.

4
Als die Menschen umkamen,

schrieen sie, und ihre Stimme drang zum Himmel.

 

9. Kapitel
1
Da schauten Michael, Uriel, Raphael und Gabriel vom Himmel nieder

und sahen das viele Blut, das auf Erden vergossen ward,
und all das Unrecht, das auf der Erde geschah.

2
Da sprachen sie zueinander:

Von ihrem Geschrei hallt die menschenleere Erde
bis zu des Himmels Pforte wieder.

3
Zu euch, ihr Heiligen des Himmels, rufen klagend die Menschenseelen:

„Bringt unsere Klage vor den Höchsten!“

4
Da sprachen sie zum Herrn der Welten: Du bist der Herr der Herren,

der Gott der Götter, der König der Könige.
Der Thron deiner Herrlichkeit besteht durch alle Geschlechter der Welt;
dein Name ist heilig, ruhmvoll und in aller Welt gepriesen.

5
Du hast ja alles gemacht

und besitzest die Macht über alles.
Alles liegt offen und unverhüllt vor deinen Augen.
Du siehst alles, und nichts kann sich vor dir verbergen.

6
Du siehst, was Azazel getan,

wie er auf Erden allerlei Ungerechtigkeit gelehrt
und die ewigen Geheimnisse des Himmels geoffenbart hat,
sie, die kennenzulernen die Menschen bestrebt waren,

7
desgleichen Semjaza,

dem du die Herrschaft über seine Gefährten verliehen hast.

[360]
8
Sie gingen zu den Menschentöchtern auf der Erde,

schliefen bei den Weibern und verunreinigten sich;
dann machten sie sie mit allen Arten von Sünden bekannt.

9
Die Weiber gebaren Riesen

und dadurch ward die ganze Erde von Blut und Ungerechtigkeit erfüllt.

10
Nun schreien die Seelen der Gestorbenen

und klagen bis zu des Himmels Pforte.
Ihre Klagen sind emporgestiegen,
und sie können angesichts der auf Erden verübten Gottlosigkeit nicht aufhören

11
Und du weißt alles, bevor es geschieht.

Du siehst dies und lassest sie gewähren.
Du sagst uns nicht, was wir deswegen zu tun haben.

 

10. Kapitel
1
Da ergriff der Höchste, der Heilige und Große das Wort;

er sandte Uriel zum Lamechsohn und sagte zu ihm:

2
Sag ihm in meinem Namen: „Verbirg dich!“

und offenbar ihm das nahe Ende!
Denn die ganze Erde wird untergehen;
eine Wasserflut kommt über die ganze Erde und vernichtet alles darauf.

3
Belehr ihn, daß er entrinnen kann

und daß seine Nachkommen für alle Geschlechter der Welt erhalten werden!

4
Und zu Raphael sprach der Herr:

Bind den Azazel an Händen und Füßen und wirf ihn in die Finsternis!
Mach in der Wüste von Dudael ein Loch und wirf ihn hinein!

5
Leg scharfe, spitze Steine unter ihn

und bedeck ihn mit Finsternis!
Laß ihn dort für immer wohnen
und bedeck sein Antlitz, daß er kein Licht schaue!

6
Am Tag des großen Gerichtes soll er in den Feuerpfuhl geworfen werden!
7
Heil die Erde, die die Engel verderbt haben,

und verkünd der Erde Heilung,
daß die Leiden geheilt würden,
damit nicht alle Menschenkinder umkämen
durch all die geheimen Dinge,
die die Wächter enthüllt und ihren Söhnen gelehrt hätten!

8
Die ganze Erde war ja durch die von Azazel gelehrten Werke verderbt worden.

Ihm schreib alle Sünden zu!

9
Und zu Gabriel sprach der Herr:

Zieh gegen die Bastarde, die Verworfenen
und die Hurenkinder los
und vertilg die Hurenkinder
und die Kinder der Wächter aus der Menschen Mitte!
Laß sie gegeneinander los,
daß sie sich untereinander im Kampf vernichten!
Denn langes Leben soll ihnen nicht zuteil werden.

[361]
10
Keine Bitte soll den Vätern für ihre Kinder gewährt werden;

sie hoffen ja auf ein ewiges Leben,
daß jeder von ihnen fünfhundert Jahre lebe.

11
Zu Michael sprach der Herr:

Geh, bind den Semjaza und seine übrigen Genossen,
die sich mit den Weibern vermischten
und sich bei ihnen durch all ihre Unreinheit befleckten!

12
Wenn sich ihre Söhne gegenseitig erschlagen

und wenn die Väter den Untergang ihrer geliebten Söhne geschaut haben,
dann bind sie für siebzig Geschlechter in die Täler der Erde
bis zu ihrem Gerichtstag,
und zwar bis zum Vollzug des ewigen Endgerichtes!

13
In jenen Tagen werden sie in den feurigen Abgrund geführt,

in die Qual und in den Kerker,
worin sie für immer eingesperrt werden.

14
Und wer immer zur Vernichtung verurteilt wird,

der wird mit ihnen zusammen
bis zum Ende aller Geschlechter gefesselt gehalten werden.

15
Vernicht alle Geister der Verworfenen samt den Söhnen der Wächter,

weil sie die Menschen mißhandelt haben!

16
Tilg alle Gewalttat von der Erde weg!

Jedes schlechte Werk soll ein Ende finden!
Erscheinen soll die Pflanze der Gerechtigkeit und Wahrheit!
Und dies ist ein Beweis des Segens:
Die Werke der Gerechtigkeit und Wahrheit werden für immer
in wirklicher Freude gepflanzt werden.

17
Dann erblühen alle Frommen und leben,

bis sie tausend Kinder zeugen,
und vollenden in Frieden alle Tage ihrer Jugend und ihres Alters.

18
Dann wird die ganze Erde in Gerechtigkeit bestellt,

ganz mit Bäumen angepflanzt und voll Segens sein.

19
Alle lieblichen Bäume werden darauf gepflanzt,

ebenso Weinstöcke,
und die eingepflanzten Weinstöcke bringen Trauben in Überfluß.
Von allen darauf ausgesäten Samen ergibt ein Maß tausend andere,
und ein Maß Oliven liefert zehn Kufen Öl.

20
Reinige die Erde von aller Gewalttat,

aller Ungerechtigkeit, aller Sünde und Gottlosigkeit,
und vertilg auf der Erde alle Unreinigkeit,
die auf Erden verübt wird!

21
Alle Menschen werden gerecht sein,

alle Völker mich verehren und preisen
und alle mich anbeten.

22
Die Erde bleibt dann rein von aller Verderbnis,

aller Sünde, aller Plage und aller Qual
und ich sende nie wieder eine Flut über sie,
von Geschlecht zu Geschlecht bis in Ewigkeit.

 

[362]
11. Kapitel
1
In jenen Tagen öffne ich des Segens himmlische Vorratskammern

und lasse ihn auf die Erde,
das Werk und die Arbeit der Menschenkinder herabkommen.

2
Dann paaren sich Wahrheit und Frieden alle Tage der Welt

und alle Menschengeschlechter hindurch.

 

12. Kapitel: Henochs Traum über die Bestrafung der Engel
1
Vorher war Henoch verborgen worden,

und niemand von den Menschenkindern wußte,
wo er verborgen war,
wo er sich aufhielt und was aus ihm geworden war.

2
Was er tat, das tat er mit den Wächtern,

und seine Tage verbrachte er mit den Heiligen.

3
Ich, Henoch, erhob mich

und pries den Herrn der Majestät und den König der Welt.
Da riefen die Wächter mich, Henoch, den Schreiber, an
und sagten zu mir:

4
„Henoch, du Schreiber der Gerechtigkeit, geh hin

und verkünd den Himmelswächtern,
die den hohen Himmel, die heilige ewige Stätte verließen,
sich mit Weibern nach Menschenart verunreinigten,
sich Weiber nahmen und so großes Verderben auf die Erde brachten:
Sie werden weder Frieden noch Verzeihung finden.
So oft sie sich über ihre Kinder freuen,
werden sie die Ermordung ihrer Lieblinge erleben
und über den Untergang ihrer Kinder seufzen;
sie werden immerdar bitten,
aber weder Gnade noch Frieden erlangen!“

 

13. Kapitel
1
Da ging Henoch hin

und sprach zu Azazel:
Du wirst keinen Frieden haben.
Ein strenges Urteil ist über dich gefällt:
Du sollst gefesselt werden.

2
Du wirst keine Nachsicht noch Fürbitte für dich erlangen

wegen der Gewalttätigkeiten, die du gelehrt,
und wegen all der Werke der Lästerung, Gewalttat
und Sünde, die du den Menschen zeigtest.

3
Dann ging ich hin und sprach mit ihnen allen.

Da fürchteten sie sich insgesamt,
und Furcht und Zittern packte sie.

4
Sie baten mich, für sie eine Bittschrift zu schreiben,

damit ihnen Verzeihung zuteil würde,
und ihre Bittschrift vor dem Herrn des Himmels vorzulesen

[363]
5
Denn sie konnten von da an nicht mehr mit Ihm reden,

noch ihre Augen zum Himmel erheben
aus Scham über ihre Sünden
deretwegen sie gestraft wurden.

6
So verfasste ich ihre Bitt- und Flehschrift

betreffs ihres Geistes, ihrer Einzelhandlungen
und der besonderen Bitte um Nachsicht und Vergebung.

7
Dann ging ich hin

und setzte mich an die Gewässer von Dan
in Dans Land, das südlich der Westseite des Hermon liegt;
ich las ihre Bittschrift vor, bis ich einschlief.

8
Da überkamen mich Träume

und Gesichte überfielen mich;
ich sah Strafgerichtsgesichte,
und eine Stimme drang in mich,
es den Himmelssöhnen zu berichten und sie zu rügen.

9
Als ich erwachte, ging ich zu ihnen.

Sie saßen alle weinend und mit verhüllten Gesichtern beisammen,
in Abelsjail zwischen dem Libanon und dem Senir.

10
Ich erzählte vor ihnen alle die Gesichte,

die ich im Schlafe gesehen hatte;
ich begann, die Worte der Gerechtigkeit zu reden
und die himmlischen Wächter zu rügen.

 

14. Kapitel
1
Dies ist das Buch der Worte der Gerechtigkeit

und des Verweises der ewigen Wächter,
wie der große Heilige in jenem Gesicht befohlen hatte.

2
Ich sah in meinem Schlaf,

was ich jetzt mit Fleischeszunge
und mit meines Mundes Odem erzählen will;
diesen verlieh Gott den Menschen,
daß sie damit reden und es mit den Herzen verstehen sollen.

3
Wie Er die Menschen schuf

und ihnen die Gabe verlieh, weise Worte zu verstehen,
so hat er auch mich geschaffen
und mir die Aufgabe übertragen,
die Wächter, die Himmelssöhne, zu rügen.

4
Ich hatte eure Bitte aufgeschrieben;

aber in meinem Gesichte wurde mir gezeigt,
daß eure Bitte nimmermehr erfüllt wird,
daß vielmehr das Urteil endgültig über euch gefällt ist
und daß euch nichts gewährt wird.

5
Fortan werdet ihr nimmermehr in den Himmel hinaufsteigen;

vielmehr ist befohlen, euch auf Erden für alle Zeiten zu fesseln.

6
Zuvor aber müßt ihr die Vernichtung eurer geliebten Söhne ansehen.

Keiner von ihnen bleibt übrig;
sie fallen vielmehr vor euren Augen durch das Schwert.

[364]
7
Euer Bittgesuch für sie wird nicht angenommen werden

noch das für euch selber,
möget ihr auch weinen und beten,
und alle Worte in der von mir verfaßten Schrift vortragen.

8
Mir ward im Gesichte folgende Erscheinung zuteil:

Wolken luden mich im Gesichte ein,
und ein Nebel forderte mich auf;
der Lauf der Sterne und der Blitze trieb und drängte mich,
und Winde gaben mir Flügel und hoben mich empor in jenem Gesicht.
Sie trugen mich in den Himmel.

9
Ich ging hinein,

bis ich mich einer Mauer näherte,
die aus Kristall gebaut und von Feuerzungen umgeben war;
sie begann, mir Furcht einzuflößen.

10
Ich trat in die Feuerzungen hinein

und näherte mich einem großen, aus Kristall erbauten Haus.
Die Hauswände glichen einem mit Kristall eingelegten Fußboden;
sein Unterbau war von Kristall.

11
Seine Decke glich der Bahn der Sterne und der Blitze,

dazwischen feurige Kerube;
ihr Himmel war so klar wie Wasser.

12
Ein Flammenmeer umgab seine Wände

und seine Türen brannten von Feuer.

13
Und ich trat in jenes Haus,

das heiß wie Feuer und kalt wie Schnee war;
darin war keinerlei Annehmlichkeit vorhanden;
mich umwehte Furcht, und Zittern packte mich.

14
Ich ward erschüttert,

und zitternd fiel ich auf mein Angesicht;
da schaute ich im Gesichte folgendes:

15
Da stand ein anderes Haus,

noch größer als das erste;
alle seine Türen standen vor mir
es war aus Feuerzungen gebaut.

16
In jeder Weise zeichnete es sich durch Herrlichkeit, Pracht und Größe so aus, daß ich euch keine Beschreibung seiner Herrlichkeit und Größe geben kann.
17
Sein Boden bestand aus Feuer;

seine obern Teile bildeten Blitze und Sternenbahnen,
und seine Decke war loderndes Feuer.

18
Ich schaute hin und sah darin einen hohen Thron.

Sein Aussehen war wie Reif,
und die Räder daran glichen der leuchtenden Sonne;
das war das Gesicht der Kerube.

19
Unterhalb des Thrones kamen Ströme lodernden Feuers hervor;

ich konnte nicht hinsehen.

20
Die große Herrlichkeit saß darauf;
[365]

sein Gewand war glänzender als die Sonne
und weißer als Schnee.

21
Keiner der Engel konnte eintreten;

noch vermochte er, Sein Antlitz vor Herrlichkeit und Majestät zu schauen.
Kein Fleisch konnte ihn anschauen.

22
Loderndes Feuer war rings um ihn;

ein großes Feuer stand vor ihm
und niemand ringsum konnte sich ihm nähern.
Rings im Kreise standen zehntausendmal Zehntausende vor ihm;
er aber bedurfte keines Beraters.

23
Die Heiligsten, die in seiner Nähe stehen,

entfernen sich nicht bei Nacht und nicht bei Tag;
noch gehen sie sonst von ihm weg.

24
Bis dahin lag ich auf meinem Angesicht und zitterte.

Da rief mich der Herr mit seinem eigenen Mund
und sprach zu mir:
Komm hieher, Henoch!
Vernimm mein Wort!

25
Da kam einer der Heiligen zu mir

und weckte mich auf;
dann ließ er mich aufstehen
und brachte mich bis zu dem Tor;
ich aber senkte mein Angesicht nieder.

 

15. Kapitel
1
Er hob an

und sprach mit mir,
und ich hörte auf seine Stimme:
Fürchte dich nicht, Henoch,
du gerechter Mann und Schreiber der Gerechtigkeit.
Tritt herzu und hör meine Rede:

2
Geh hin

und sprich zu den Himmelswächtern,
die dich als ihren Fürsprecher absandten:
Ihr solltet eigentlich für Menschen bitten
und nicht Menschen für euch!

3
Warum verließet ihr den hohen, heiligen und ewigen Himmel,

schliefet bei den Weibern,
verunreinigtet euch mit den Menschentöchtern,
nahmet euch Weiber,
tatet wie die Erdenkinder
und zeugtet Riesensöhne?

4
Ihr waret heilig, geistig und ewig lebend,

und dennoch beflecktet ihr euch durch Weiberblut
und zeugtet mit dem Blut des Fleisches Kinder,
indem ihr nach der Menschen Blut begehrtet
und also Fleisch und Blut hervorbrachtet,
wie jene, die sterblich und vergänglich sind.

[366]
5
Deshalb gab ich diesen Weiber,

damit sie diesen beiwohnten
und mit ihnen Kinder zeugten,
daß ihnen nichts auf Erden fehle.

6
Ihr aber seid zuvor ewig lebende Geister gewesen,

die alle Geschlechter der Welt hindurch unsterblich sein sollten.

7
Darum schuf ich für euch keine Weiber;

denn die Geistigen des Himmels haben im Himmel ihre Wohnung.

8
Die Riesen aber, die von den Geistern und vom Fleisch erzeugt wurden,

wird man auf Erden böse Geister nennen;
sie werden auch auf Erden ihre Wohnung haben.

9
Böse Geister gingen aus ihrem Leib hervor;

denn sie sind zwar von Menschen geboren,
aber von den heiligen Wächtern stammt ihr Anfang
und ihr erster Ursprung her.
Böse Geister werden sie auf Erden sein
und böse Geister heißen.

10
Des Himmels Geister haben ihre Wohnung im Himmel;

aber die Geister der Erde, die auf Erden geboren wurden,
haben ihre Wohnung auf der Erde.

11
Die Geister der Riesen handeln böse,

begehen Gewalttaten, zerstören,
greifen an, kämpfen, wirken verheerend auf der Erde
und bringen Verwirrung;
sie essen nicht, trotzdem sie hungern,
und dürsten, trotzdem sie trinken.

12
Und diese Geister erheben sich gegen die Menschensöhne

und gegen die Weiber,
weil sie von ihnen ausgegangen sind.

 

16. Kapitel
1
Seit den Tagen des Schlachtens, des Verderbens und des Sterbens der Riesen

als die Geister ihren Fleischesleib verließen,
um ohne ein Gericht zu erleiden, Verderbnis anzurichten,
werden sie in solcher Weise verderblich wirken
bis zum Tag des großen Endgerichts,
wo die Welt für die Wächter
und die Gottlosen völlig zu Ende geht.

2
Sprich nun zu den Wächtern, die früher im Himmel waren

und die dich als Fürbitter absandten:

3
Ihr waret im Himmel.

Es wurden euch zwar nicht alle Geheimnisse geoffenbart;
doch wußtet ihr um ein nichtswürdiges Geheimnis
und gabet dies in eurer Herzenstätigkeit den Weibern preis.
Durch dies Geheimnis wirken Weiber und Männer viel Unheil auf Erden.

4
Sag ihnen also: „Ihr werdet keinen Frieden haben!“

 

[367]
17. Kapitel: Henochs Reisen 17–36
17–19 Erster Reisebericht
1
Sie nahmen mich fort

und brachten mich an einen Ort,
wo die Dinge dort wie Feuerflammen sind
und, wenn sie wollen, als Menschen erscheinen können.

2
Dann führten sie mich an den Ort der Finsternis

und auf einen Berg, dessen Spitze in den Himmel reicht.

3
Ich sah die Stätten der Lichter,

die Vorratskammern der Sterne und des Donners
und in den äußersten Tiefen einen Feuerbogen, Pfeile samt ihrem Köcher,
ein feuriges Schwert und alle Blitze.

4
Dann brachten sie mich an die lebenden Gewässer

und an des Westens Feuer, das die Abendsonne aufnimmt.

5
Dann kam ich zu einem Feuerstrom,

dessen Feuer wie Wasser fließt
und der sich in ein großes Meer ergießt.

6
Dann sah ich die großen Ströme

und kam bis zum großen Fluß und der großen Finsternis;
dann ging ich bis zu der Stätte, wohin alles Fleisch wandert.

7
Ich sah die Berge der Winterdunkelheit

und die Stätte, wohin alle Gewässer der Tiefe fließen.

8
Dann sah ich die Mündung aller Ströme der Erde

und die Mündung der Tiefe.

 

18. Kapitel
1
Ich sah die Kammern aller Winde;

ich sah, wie Er damit die ganze Schöpfung schmückte;
ich sah auch der Erde Grundfesten.

2
Ich sah den Schlußstein der Erde;

ich sah die vier Winde,
die (die Erde und) die Himmelsfeste tragen.

3
Ich sah, wie die Winde das Himmelsgewölbe ausspannen

und ihre Stellung zwischen Himmel und Erde haben;
das sind die Säulen des Himmels.

4
Ich sah die Winde, die den Himmel drehen

und die Sonnenscheibe
und alle Sterne bis zum Untergehen bewegen.

5
Ich sah die Winde, die über der Erde die Wolken tragen;

ich sah die Wege der Engel;
ich sah am Ende der Erde die Himmelsfeste oben.

6
Dann ging ich weiter nach Süden

und sah einen Ort, der Tag und Nacht brannte;
daselbst sind sieben Berge aus Edelsteinen,
drei gegen Osten und drei gegen Süden.

[368]
7
Von den östlichen besteht einer aus farbigem

einer aus Perlstein und einer aus Topas;
die südlichen sind aus rotem Gestein.

8
Der mittlere reicht bis zum Himmel;

er gleicht dem Throne Gottes
und ist aus Alabaster;
die Spitze des Thrones ist aus Sapphir.

9
Dann sah ich ein loderndes Feuer.

Hinter diesen Bergen

10
liegt eine Gegend, die das Ende der großen Erde bildet;

dort findet auch der Himmel sein Ende. –

11
Dann sah ich einen Abgrund mit himmelhohen Feuersäulen

und ich sah die Feuersäulen wieder herabfallen;
sie sind weder nach Tiefe noch Höhe abzumessen.

12
Hinter diesem Abgrund sah ich einen Ort,

der über sich keine Himmelsfeste
und unter sich keinen festen Erdboden hatte;
es gab kein Wasser über ihm, noch Vögel;
es war ein wüster und grausiger Ort.

13
Dort sah ich sieben Sterne wie große, brennende Berge.

Als ich mich danach erkundigte,

14
sagte der Engel:

Dies ist der Ort, wo Himmel und Erde zu Ende sind;
dies ist ein Gefängnis für die Sterne und das Himmelsheer.

15
Und die Sterne, die über dem Feuer dahinrollen, sind die,

die beim Beginn ihres Ausgangs Gottes Befehle übertraten,
weil sie nicht zu ihren Zeiten hervorkamen.

16
So ward Er über sie zornig

und band sie für 10 000 Jahre, bis zur Zeit,
wo ihre Sünde abgebüßt ist.

 

19. Kapitel
1
Da sagte zu mir Uriel:

Hier bleiben die Engel,
die sich mit den Weibern vermischten,
ebenso ihre Geister,
die vielerlei Formen annehmen und die Menschen verunreinigen;
sie verführen sie auch, den Dämonen wie Göttern zu opfern.
Hier bleiben sie bis zum großen Gerichtstag,
wo sie bis zu ihrer völligen Vernichtung gerichtet werden.

2
Die Weiber, die die Engel verführten, werden zu Sirenen.
3
Ich, Henoch, sah allein das Gesicht, das Ende aller Dinge,

und niemand wird es so sehen, wie ich.

 

20. Kapitel
Zweiter Reisebericht 20–36
1
So heißen die heiligen Engel, die wachen:
2
Uriel, einer der heiligen Engel, steht über der Welt und dem Tartarus
[369]
3
Raphael, einer der heiligen Engel, steht den Menschengeistern vor.
4
Raguel, einer der heiligen Engel,

übt Rache an der Lichterwelt.

5
Michael, einer der heiligen Engel,

ist über den besten Teil der Menschen, das Volk Israel, und das Chaos gesetzt.

6
Sarakael, einer der heiligen Engel,

ist über die Geister, die die andern Geister zur Sünde veranlassen, gesetzt.

7
Gabriel, einer der heiligen Engel,

steht dem Paradies, den Schlangen und den Keruben vor.

8
Remiel, einer der heiligen Engel,

ist von Gott über die Auferstehenden gesetzt.

 

21. Kapitel
1
Ich zog weiter bis dahin,

wo die Dinge ein Chaos waren.

2
Dort sah ich etwas Fürchterliches;

ich sah weder einen Himmel oben,
noch eine festgegründete Erde,
sondern einen öden und schrecklichen Ort.

3
Dort sah ich sieben Himmelssterne,

zugleich darin gefesselt,
gleich großen Bergen, im Feuer brennend.

4
Darauf frug ich:

Um welcher Sünde willen sind sie gebunden
und weshalb sind sie hieher verstoßen?

5
Da sagte zu mir Uriel,

einer der heiligen Engel, der bei mir war und mein Führer war:
Henoch! Weshalb fragst du
und warum bemühst du dich eifrig, die Wahrheit zu erfahren?

6
Dies sind die Himmelssterne, die Gottes Befehl übertraten;

sie liegen hier gebunden,
bis ihrer Sünde Zeit, die 10 000 Jahre, vorüber sind.

7
Von da ging ich an einen andern Ort,

der noch grausiger, als jener, war.
Ich sah dort Fürchterliches.
Dort war ein großes Feuer, das flammte und loderte,
und der Ort war bis zum Abgrund gespalten
und ganz voll von großen, herabstürzenden Feuersäulen.
Seine Ausdehnung und Größe konnte ich nicht erblicken, noch ermitteln.

8
Da rief ich aus:

Wie schrecklich ist dieser Ort
und wie fürchterlich zum Anschauen!

9
Da antwortete mir Uriel, einer der heiligen Engel, der mit mir war,

und sprach zu mir: Henoch! Warum fürchtest du dich und erschrickst so?
Ich sprach:
Wegen dieses schrecklichen Ortes und dieses gräßlichen Anblicks.

[370]
10
Da sprach er zu mir:

Dieser Ort ist das Gefängnis der Engel;
hier werden sie bis in Ewigkeit gefangen gehalten.

 

22. Kapitel
1
Von hier ging ich an einen andern Ort

und er zeigte mir westlich davon
ein großes, hohes Gebirge mit starren Felsen.

2
Daselbst waren vier Höhlen, tief, breit und sehr glatt;

drei davon waren dunkel, eine hell und
in ihrer Mitte war eine Wasserquelle.
Ich rief: Wie glatt sind diese Höhlen!
Wie tief und dunkel!

3
Da antwortete mir Raphael, einer der heiligen Engel, der bei mir war:

Diese Höhlen sind dafür geschaffen,
daß sich darin die Geisterseelen der Verstorbenen sammeln.
Dafür sind sie geschaffen,
daß sich hier alle Seelen der Menschenkinder versammeln.

4
Diese Plätze sind zu ihrem Aufenthalt gemacht bis zu ihrem Gerichtstag,

bis zu ihrer Frist und festgesetzten Zeit,
wo das Gericht über sie stattfinden wird.

5
Da hörte ich den Geist eines verstorbenen Menschenkindes klagen,

und seine Stimme drang bis zum Himmel und weheklagte.

6
Da fragte ich den Engel Raphael bei mir:

Wem gehört dieser klagende Geist an?
Wessen ist die Stimme,
die klagend bis zum Himmel dringt?

7
Da sagte er zu mir:

Dies ist der Geist, der von Abel ausging.
Ihn erschlug ja sein Bruder Kain,
und so klagt er über ihn,
bis dessen Nachkommen von der Erde vertilgt sind
und sein Stamm aus der Menschen Stamm verschwunden ist.

8
Da fragte ich über alle die Höhlen:

Weshalb ist eine von den andern getrennt?

9
Er antwortete mir:

Diese drei Räume sind dazu gemacht,
um die Geister der Toten zu trennen,
und so ist eine besondere Abteilung für die Geister der Gerechten da,
wo eine helle Wasserquelle ist.

10
Ebenso ist ein Raum für die Sünder geschaffen,

wenn sie sterben und begraben werden
und noch kein Gericht über sie zu Lebzeiten ergangen ist.

11
Hier werden ihre Seelen für diese große Pein abgesondert

bis zum großen Tag des Gerichts,
der Strafen und der Pein für die ewig Verdammten
und der Vergeltung für ihre Seelen;
dort fesselt Er sie bis in Ewigkeit.

[371]
12
Ebenso gibt es eine besondere Abteilung für die Seelen der Klagenden,

die über ihren Untergang Aufschluss geben,
weil sie in den Tagen der Sünder umgebracht worden sind.

13
Und diese Abteilung ist für die Seelen der Menschen gemacht,

die nicht gerecht,
sondern Sünder, ganz und gar gottlos und Genossen der Bösen waren;
ihre Seelen werden am Gerichtstag nicht bestraft,
aber auch nicht von hier mit auferweckt werden.

14
Da pries ich den Herrn der Herrlichkeit

und sprach:
„Gepriesen bist du, Herr, du gerechter Herrscher der Welt.“

 

23. Kapitel
1
Von da ging ich an einen andern

gegen Westen bis zu den Enden der Erde.

2
Ich sah, wie ein loderndes Feuer rastlos hin und herlief

und von seinem regelmäßigen Lauf weder bei Tag noch bei Nacht abließ,
sondern sich gleich blieb.

3
Ich fragte:

Was ist dieses ruhelose Ding?

4
Da antwortete mir Raguel, der heiligen Engel einer bei mir,

und sprach zu mir:
Dieses laufende Feuer, das du im Westen sahest,
ist das Feuer, das alle Himmelslichter versorgt.

 

24. Kapitel
1
Von dort ging ich an einen andern Ort der Erde,

und er zeigte mir ein Feuergebirge, das Tag und Nacht brennt.

2
Ich ging darüber

und erblickte sieben herrliche Berge, jeden vom andern verschieden,
und die Steine waren herrlich und prächtig,
insgesamt herrlich an prächtigem Aussehen und von schönem Äußern.
Drei Berge lagen gegen Osten, einer über dem andern,
drei gegen Süden, einer über dem andern
und dazwischen tiefe, gewundene Schluchten,
wovon keine an die andere grenzte.

3
Und der siebte Berg lag in ihrer Mitte;

er überragte sie an Höhe, einem Thronsitz ähnlich,
und wohlriechende Bäume umschlossen den Thron.

4
Darunter war ein Baum,

wie ich noch nie einen solchen gerochen hatte.
Keiner von diesen, noch andere waren ihm gleich.
Er verbreitete mehr Duft als alle Wohlgerüche;
seine Blätter und Blüten und sein Holz welken niemals
und seine Frucht ist prächtig;
sie gleicht den Palmendatteln.

[372]
5
Da sprach ich:

Wie schön ist dieser Baum!
Wie wohlriechend und lieblich sind seine Blätter!
Wie ergötzlich für den Anblick seine Blüten!

6
Da antwortete mir Michael, der heiligen und geehrten Engel einer,

der bei mir war, ihr Führer.

 

25. Kapitel
1
Er sprach zu mir:

Henoch! Was fragst du
und wunderst dich über den Geruch dieses Baumes
und suchst die Wahrheit zu erfahren?

2
Da antwortete ich, Henoch, ihm und sagte:

Ich möchte über alles etwas erfahren,
ganz besonders aber über diesen Baum.

3
Er antwortete mir:

Dieser hohe Berg, den du erblicktest
und dessen Gipfel dem Throne Gottes gleicht,
ist sein Thron,
worauf sich der Heilige, Große, Eine, der Herr der Herrlichkeit,
der ewige König, setzen wird,
wenn er herabkommt, die Erde mit Segen heimzusuchen.

4
Kein Sterblicher aber darf diesen wohlriechenden Baum berühren

bis zu dem großen Gericht,
wo Er an allen Rache nimmt,
bis zur endgültigen Vollendung;
dann wird er den Gerechten und Heiligen übergeben werden.
Seine Frucht dient dann den Auserwählten zur Nahrung;
er wird an den heiligen Ort, in den Tempel des Herrn, des ewigen Königs, verpflanzt werden.

6
Dann freuen sie sich überaus

und betreten in Fröhlichkeit die heilige Stätte;
sein Wohlgeruch erfüllt dabei ihre Gebeine.
Sie werden auf Erden ein Leben führen,
länger, als ihre Väter,
und in ihren Tagen trifft sie weder Trübsal, noch Leid, noch Mühe, noch Plage.

7
Da pries ich den Herrn der Herrlichkeit, den König der Ewigkeit,

daß er solches für die Gerechten zubereitet, geschaffen
und verheißen hat.

 

26. Kapitel
1
Ich ging dann von dort nach der Mitte der Erde

und erblickt einen gesegneten und fruchtbaren Ort,
wo Bäume mit Zweigen waren,
die aus zurückgeschnittenen Ästen sproßten und blühten.

2
Ich sah dort auch einen heiligen Berg
[373]

und unterhalb des Berges gegen Osten war ein Fluß
und dieser floß gegen Süden.

3
Gegen Osten sah ich noch einen andern Berg, höher als jenen,

und zwischen beiden lag eine tiefe, schmale Schlucht;
auch sie durchströmte ein Fluß unterhalb des Berges.

4
Westlich davon war ein anderer Berg,

niedriger als jener, und von geringer Höhe;
zwischen ihnen war eine tiefe und trockene Schlucht;
eine andere tiefe und trockene Schlucht lag am Ende der Berge.

5
Alle Schluchten waren tief und schmal, aus hartem Felsgestein;

kein Baum wuchs darin auf.

6
Ich wunderte mich über die Felsen,

staunte über die Schlucht;
ja ich verwunderte mich gar sehr.

 

27. Kapitel
1
Da fragte ich:

Wozu dient dieses gesegnete Land, ganz voller Bäume,
und wozu diese verfluchte Schlucht dazwischen?

2
Da antwortete mir Uriel, der heiligen Engel einer bei mir,

und sprach zu mir:
Diese verfluchte Schlucht ist für die ewig Verfluchten bestimmt;
hier werden alle versammelt,
die mit ihrem Mund gegen Gott Unziemliches reden
und über seine Herrlichkeit frech sprechen.
Sie werden hier versammelt,
und hier ist die Stätte ihres Gerichtes.

3
In den letzten Tagen wird sich an ihnen das Schauspiel eines gerechten Gerichtes

in Gegenwart der Gerechten endgültig vollziehen;
hier werden die Frommen den Herrn der Herrlichkeit,
den König der Ewigkeit lobpreisen.

4
In den Tagen des Gerichts über jene werden diese ihn preisen

wegen der Barmherzigkeit, die er ihnen erwiesen hat.

5
Da pries ich den Herrn der Herrlichkeit

und verkündete seinen Ruhm
und stimmte einen Lobgesang auf ihn an.

 

28. Kapitel
1
Von hier ging ich (gen Osten) mitten in das Gebirge der Wüste;

da erblickte ich eine Steppe;
sie war einsam,

2
aber voller Bäume und Pflanzen;

Wasser floß von oben herab.

3
Es strömte dahin,

wie ein reichlich fließender Wasserstrom, gegen Nordwesten
und bildete Wolken und Tau, die von allen Seiten aufstiegen.

 

[374]
29. Kapitel
1
Von da ging ich an einen andern Ort in der Wüste

und näherte mich so der Ostseite jenes Gebirges.

2
Dort sah ich Duftbäume, von Weihrauch und Myrrhen duftend,

und die Bäume ähnelten den Mandelbäumen.

 

30. Kapitel
1
Dann ging ich weiter gen Osten und erblickte eine andere große Stätte, eine Wasserschlucht.
2
Darin stand ein Baum,

der das Aussehen von Würzbäumen, ähnlich dem Mastix, hatte.

3
An den Seiten jener Täler sah ich den wohlriechenden Zimtbaum;

dann zog ich weiter gen Osten.

 

31. Kapitel
1
Ich sah andere Berge;

darauf standen Haine von Bäumen, woraus Nektar floß,
den man Balsam und Galbanum nannte.

2
Hinter jenen Bergen sah ich einen andern Berg

im Osten der Erdenden;
darauf standen Aloebäume,
und all die andern Bäume waren voller Tropfharz,
ähnlich den Mandelbäumen.

3
Wenn man diese Frucht zerreibt,

so übertrifft sie alle Gerüche.

 

32. Kapitel
1
Nach diesen Wohlgerüchen sah ich,

als ich gegen Nordosten über die Berge hinblickte,
sieben Berge voll köstlicher Narde, Mastix, Zimt und Pfeffer.

2
Von da zog ich über die Gipfel aller dieser Berge nach dem Osten der Erde;

ich überschritt das Erythräische Meer
und entfernte mich wieder davon, wobei ich den Zotiel passierte.

3
Dann kam ich zu dem Garten der Gerechtigkeit

und erblickte unter den Bäumen,
vielen und großen Bäumen, die dort wuchsen
und wohlduftend, groß, sehr schön und kräftig waren,
auch den Baum der Weisheit,
von dessen Frucht die Heiligen essen und große Weisheit erlangen.

4
Dieser Baum gleicht, dem Wuchs nach, einer Fichte;

sein Laub ähnelt dem des Johannisbrotbaums;
seine Frucht ist wie die Weintraube sehr gut
und der Duft des Baumes dringt weithin.

5
Da rief ich: Wie schön ist dieser Baum

und wie ergötzlich sein Anblick!

[375]
6
Da antwortete mir der heilige Engel Raphael, der bei mir war,

und sprach zu mir:
Dies ist der Weisheitsbaum,
wovon dein greiser Vater und deine betagte Mutter
vor deiner Zeit gegessen haben.
Sie erkannten dabei die Weisheit;
ihre Augen wurden aufgetan,
und sie erkannten, daß sie nackt waren.
Da wurden sie aus dem Garten vertrieben.

 

33. Kapitel
1
Von da zog ich weiter bis an der Erde Enden;

daselbst sah ich große Tiere,
eins vom andern verschieden;
auch Vögel, verschieden nach Aussehen, Schönheit und Stimme,
einen vom andern verschieden.

2
Östlich von diesen Tieren sah ich der Erde Enden,

worauf der Erde Himmel ruht;
des Himmels Tore standen offen.

3
Ich sah des Himmels Sterne hervorkommen,

zählte die Tore, woraus sie kommen,
und schrieb all ihre Ausgänge auf,
und zwar von jedem Stern
nach ihrer Zahl, ihren Namen, Verbindungen,
Stellungen, Zeiten und Monaten,
so wie es der Engel Uriel, der bei mir war, zeigte.

4
Er zeigte mir alles und schrieb es auf;

auch ihre Namen schrieb er für mich auf,
ebenso ihre Gesetze und ihre Begleiter.

 

34. Kapitel
1
Von da ging ich gen Norden an der Erde Enden hin;

dort sah ich ein großes und herrliches Wunder an den Enden der ganzen Erde.

2
Hier sah ich drei Himmelstore am Himmel offen;

durch ihrer jedes gehen Nordwinde hervor;
wenn sie wehen, gibt es Kälte, Hagel,
Reif, Schnee, Tau und Regen.

3
Aus dem einen Tor wehen sie zum Guten;

wehen sie aber aus den zwei andern Toren,
dann geschieht es mit Heftigkeit;
alsdann kommt Not über die Erde,
wenn sie heftig wehen.

 

35. Kapitel
1
Von da ging ich gen Westen an der Erde Enden hin;

da sah ich drei offene Tore,
wie ich sie auch im Osten gesehen, die gleichen Tore und Ausgänge.

 

[376]
36. Kapitel
1
Von da ging ich gen Süden an der Erde Enden hin;

da sah ich drei Himmelstore offen;
daraus kommt der Südwind hervor,
ebenso Tau und Regen.

2
Von da zog ich weiter gen Osten an der Erde Enden hin;

da sah ich die drei östlichen Himmelstore geöffnet;
über ihnen befanden sich kleine Tore.

3
Durch jedes dieser kleinen Tore gehen des Himmels Sterne hindurch

und wandeln gen Osten auf dem vorbezeichneten Weg.

4
Bei diesem Anblick pries ich

und preise zu jeder Zeit den Herrn der Herrlichkeit,
der die großen und herrlichen Wunderwerke schuf,
um seines Werkes Größe seinen Engeln, den Geistern und den Menschen zu zeigen,
damit sie sein Werk und seine ganze Schöpfung priesen,
wenn sie das Werk seiner Macht sehen,
und damit sie das große Werk seiner Hände rühmten
und ihn bis in Ewigkeit verherrlichten.

 

2. Teil. Die Bilderreden 37–71
37. Kapitel: Einleitung
1
Das zweite Gesicht, das er schaute,

das Weisheitsgesicht, das Henoch sah,
der Sohn Jareds und Enkel Mahalalels,
des Sohnes des Kainan und Enkels des Enos,
des Sohnes des Seth und Enkels des Adam.

2
Dies ist der Anfang der Weisheitsreden,

die ich laut den Erdbewohnern erzählen will:
Hört, ihr Urväter, und vernehmt, ihr Nachkommen,
die heiligen Reden, die ich vor dem Herrn der Geister vortragen werde!

3
Es wäre besser,

sie nur den Urvätern zu erzählen;
doch wollen wir auch den Nachkommen den Anfang der Weisheit nicht vorenthalten.

4
Bis jetzt ward noch nie vom Herrn der Geister solche Weisheit verliehen,

wie ich sie nach meiner Einsicht
und nach dem Wohlgefallen des Herrn der Geister empfing,
von dem mir das Los des ewigen Lebens beschieden ward.

5
Drei Bilderreden wurden mir zuteil,

und so erhob ich meine Stimme,
sie den Erdbewohnern zu erzählen.

 

38. Kapitel: Erste Bilderrede 38–44
Das künftige Gottesreich
1
Die erste Bilderrede.

Wenn die Gemeinde der Gerechten sichtbar wird

[377]

und wenn die Sünder für ihre Sünden gestraft
und von der Erde vertrieben werden,

2
wenn der Gerechte vor den Augen der Gerechten erscheint,

deren Werke beim Herrn der Geister aufbewahrt sind,
und wenn das Licht den Gerechten und Auserwählten auf Erden leuchtet, –
wo ist dann die Wohnstätte der Sünder
und wo der Ruheort derer, die den Herrn der Geister verleugneten?
Es wäre für sie besser,
sie wären nie geboren.

3
Wenn die Geheimnisse der Gerechten offenbar werden,

dann verfallen die Sünder der Strafe
und die Bösen werden aus der Gegenwart der Gerechten und Auserwählten verstoßen.

4
Von dieser Zeit an werden die Herren der Erde nicht mehr mächtig,

noch erhaben sein;
sie können dann das Antlitz der Heiligen nicht mehr anschauen,
weil der Herr der Geister sein Licht
auf das Antlitz der Heiligen, Gerechten und Auserwählten strahlen läßt.

5
Dann werden die Könige und Machthaber in jener Zeit vernichtet

und in die Hand der Gerechten und Heiligen überliefert werden.

6
Von da an bittet keiner beim Herrn der Geister um Gnade;

denn ihr Leben ist zu Ende. –

 

39. Kapitel
1
In diesen Tagen werden auserwählte und heilige Kinder

vom hohen Himmel herabsteigen
und ihr Stamm wird sich mit den Menschenkindern vereinigen.

2
Und in jenen Tagen empfing Henoch Schriften des Zorneifers

und Schriften der Unruhe und Bestürzung. –
„Barmherzigkeit wird ihnen nicht zuteil werden,“
sprach der Herr der Geister.

3
In jener Zeit raffte mich ein Wirbelwind von der Erde hinweg

und setzte mich an dem Ende der Himmel nieder.

4
Hier sah ich ein anderes Gesicht:

Die Wohnungen der Gerechten und die Ruhestätten der Heiligen.

5
Hier sah ich mit eigenen Augen ihre Wohnungen bei seinen gerechten Engeln

und ihre Ruhestätten bei den Heiligen,
und diese baten, legten Fürsprache ein und beteten für die Menschenkinder.
Gerechtigkeit floss vor ihnen wie Wasser
und Barmherzigkeit wie Tau auf Erden;
so ist es bei ihnen für immer und ewig.

6
An jenem Orte sehen meine Augen

den Auserwählten der Gerechtigkeit und Treue;
Gerechtigkeit waltet in seinen Tagen
und ungezählte Auserwählte und Gerechte werden für immer vor ihm sein.

7
Ich sah seine Wohnstätte unter den Fittichen des Herrn der Geister.

Alle Gerechten und Auserwählten glänzen vor ihm wie Feuerschein;

[378]

ihr Mund ist voll von Segensworten;
ihre Lippen preisen den Namen des Herrn der Geister
und Gerechtigkeit hört nicht mehr vor ihm auf.

8
Hier wünschte ich zu wohnen

und meine Seele trug nach jener Wohnstätte Verlangen.
Hier ist mein Erbteil schon früher gewesen;
denn so war es vor dem Herrn der Geister über mich beschlossen worden.

9
An jenen Tagen lobte

und erhob ich den Namen des Herrn der Geister mit Segensworten und Lobliedern,
weil er mich für das Segnen und Rühmen
nach des Herrn der Geister Wohlgefallen bestimmt hatte.

10
Geraume Zeit betrachteten meine Augen jenen Ort

und ich segnete und pries ihn mit den Worten:
„Gesegnet und gepriesen sei er von Anfang bis in Ewigkeit.“

11
Vor ihm gibt es kein Aufhören.

Er weiß, was die Welt ist, bevor sie geschaffen ward,
und was von Geschlecht zu Geschlecht geschehen wird.

12
Dich preisen die nie Schlafenden;

sie stehen vor deiner Herrlichkeit,
preisen, rühmen und erheben dich mit den Worten:
„Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Geister;
er erfüllt die Erde mit Geistern.“

13
Und hier sahen meine Augen,

wie all die nie Schlafenden vor ihm stehen, preisen und sprechen:
„Gepriesen seist du und gesegnet des Herrn Name bis in alle Ewigkeit!“

14
Da wandelte sich mein Antlitz;

denn ich konnte nicht mehr länger schauen.

 

40. Kapitel: Die vier Engel
1
Danach sah ich tausendmal Tausende

und zehntausendmal Zehntausende,
eine unzählbare und unberechenbare Menge vor dem Herrn der Geister stehen.

2
Ich sah

und erblickte zu den vier Seiten des Herrn der Geister vier Gesichter;
diese waren von den nie Schlafenden verschieden.
Ich erfuhr ihre Namen;
denn der Engel, der mit mir ging,
teilte mir ihre Namen mit
und zeigte mir alle verborgenen Dinge.

3
Ich hörte die Stimme jener vier Gesichter,

wie sie vor dem Herrn der Herrlichkeit lobsangen.

4
Die erste Stimme preist immerdar den Herrn der Geister,
5
Die zweite Stimme pries, wie ich hörte,

den Auserwählten,
sowie die Auserwählten, die bei dem Herrn der Geister aufbewahrt sind.

6
Die dritte Stimme betete und bat, wie ich hörte,

für die Erdbewohner
und legte im Namen des Herrn der Geister Fürsprache ein.

[379]
7
Die vierte Stimme wehrte, wie ich hörte,

die Satane ab
und gestattete ihnen nicht,
vor den Herrn der Geister zu treten,
um die Erdbewohner anzuklagen.

8
Darauf fragte ich den Friedensengel,

der mit mir ging und mir alles Verborgene zeigte,
und sprach zu ihm:
Wer sind diese vier Gesichter, die ich sah
und deren Worte ich hörte und aufschrieb?

9
Er sprach zu mir:

Der erste ist Michael, der Barmherzige und Langmütige;
der zweite, der über alle Krankheiten und Wunden der Menschenkinder gesetzt ist,
ist Raphael;
der dritte, der allen Kräften vorsteht,
ist Gabriel
und der vierte, der über die Buße und die Hoffnung der Erben des ewigen Lebens gesetzt ist,
heißt Phanuel.

10
Dies sind die vier Engel des Herrn der Geister

und die vier Stimmen habe ich in jenen Tagen vernommen.

 

41. Kapitel: Astronomische Geheimnisse
1
Danach sah ich alle Geheimnisse der Himmel

und wie das Reich verteilt wird
und wie die Handlungen der Menschen auf der Wage gewogen werden.

2
Dort sah ich die Wohnungen der Auserwählten und die der Heiligen.

Dort schauten meine Augen,
wie von dort alle Sünder vertrieben werden,
die den Namen des Herrn verleugneten,
und wie man sie wegschleppt.
Sie können dort wegen der Strafe nicht bleiben,
die vom Herrn der Geister ausgeht.

3
Und dort sahen meine Augen die Geheimnisse der Blitze und des Donners,

die Geheimnisse der Winde,
wie sie sich zum Wehen über die Erde verteilen,
und die Geheimnisse der Wolken und des Taues.
Dort sah ich, von wo sie an jener Stätte ausgehen
und wie von da aus die durstige Erde gesättigt wird.

4
Dort sah ich verschlossene Kammern,

woraus die Winde verteilt werden,
die Kammer des Hagels und die Kammer des Nebels
und die Wolke, die seit Urzeit über der Erde lagert.

5
Ich sah die Kammern der Sonne und des Mondes,

wovon sie ausgehen und wohin sie zurückkehren,
und ihre herrliche Wiederkehr,
und wie eins vor dem andern den Vortritt hat,
ihre prächtige Bahn,

[380]

wie sie die Bahn nicht überschreiten,
ihrer Bahn nichts hinzufügen,
auch nichts davon tun
und wie sie einander Treue bewahren
und den Eidschwur, wodurch sie sich verbunden halten.

6
Zuerst tritt die Sonne hervor

und durchzieht ihre Bahn
nach dem Befehl des Herrn der Geister
und mächtig ist sein Name immerdar.

7
Hernach sah ich den geheimen und den sichtbaren Pfad des Mondes,

und er legt den Lauf seines Weges an jener Stätte bei Tag und Nacht zurück.
Einer steht dem andern vor dem Herrn der Geister gegenüber;
sie danken und loben unaufhörlich;
denn für sie bedeutet ihr Danken Ruhe.

8
Denn die Sonne macht viele Wendungen zum Segen oder zum Fluch

und des Mondes Wandelbahn ist Licht für die Gerechten,
dagegen Finsternis für die Sünder, im Namen des Herrn,
der zwischen dem Licht und der Finsternis schied,
die Geister der Menschen teilte
und die Geister der Gerechten in seiner Gerechtigkeit Namen stärkte.

9
Denn weder ein Engel noch eine Gewalt vermag es zu hindern;

denn Er bestimmt für sie alle einen Richter
und dieser richtet sie alle vor Ihm.

 

42. Kapitel: Wohnort der himmlischen Weisheit
1
Die Weisheit fand keinen Platz, wo sie wohnen konnte;

da ward ihr in den Himmeln eine Wohnstätte zuteil.

2
Da ging die Weisheit fort,

unter den Menschenkindern zu wohnen;
sie fand aber keine Wohnstätte.
So kehrte die Weisheit an ihren Ort zurück
und nahm unter den Engeln ihren Sitz.

3
Da trat die Ungerechtigkeit aus ihren Kammern.

Sie fand die, die sie nicht suchen mußten
und ließ sich bei ihnen nieder,
wie der Regen auf die Steppe,
wie der Tau auf durstig Land.

 

43. Kapitel: Astronomische Geheimnisse
1
Und ich sah andere Blitze und die Sterne des Himmels;

da bemerkte ich, wie Er sie alle bei ihren Namen rief
und wie sie auf Ihn hörten.

2
Dann sah ich,

wie sie mit einer gerechten Wage nach ihrer Lichtstärke gewogen wurden;
dann sah ich die Weite ihrer Räume und den Tag ihres Erscheinens
und wie ihr Umlauf Blitze hervorrief;

[381]

ich sah ihren Umlauf sich nach der Zahl der Engel richten
und wie sie einander Treue hielten.

3
Dann fragte ich den Engel,

der mit mir ging und mir das Geheime zeigte:
Was bedeuten diese?

4
Da sprach er zu mir:

Der Herr der Geister hat dir ihre sinnbildliche Bedeutung gezeigt.
Dies sind die Namen der Heiligen, die auf Erden wohnen
und immerdar an den Namen des Herrn der Geister glauben.

 

44. Kapitel
1
Noch etwas anderes sah ich bei den Blitzen,

wie sie aus den Sternen entstehen, zu Blitzen werden
und sich von ihrer neuen Gestalt nicht trennen können.

 

45. Kapitel. Zweite Bilderrede 45–47
Das Messiasreich
1
Dies ist die zweite Bilderrede.

Sie handelt von denen,
die den Namen der Wohnung der Heiligen und den Herrn der Geister leugnen.

2
Sie werden nicht in den Himmel hinaufkommen,

aber auch nicht auf der Erde bleiben.
So wird das Los der Sünder sein,
die den Namen des Herrn der Geister leugnen;
darum werden sie für den Tag des Leidens und der Trübsal aufbewahrt.

3
An jenem Tag wird mein Auserwählter auf dem Thron der Herrlichkeit sitzen

und unter ihren Werken eine Auswahl treffen
und ihre, der Auserwählten, Wohnungen werden zahllos sein.
Ihr Geist wird in ihnen zunehmen und wachsen,
wenn sie meine Auserwählten schauen
und die, die meinen herrlichen Namen angerufen haben.

4
Dann lasse ich meinen Auserwählten unter ihnen wohnen

und ich wandle den Himmel um
und mache ihn zu ewigem Segen und Licht.

5
Und ich verwandle die Erde

und mache sie zum Segen.
Dann lasse ich meine Auserwählten darauf wohnen;
aber die Sünder und Missetäter dürfen sie nicht betreten.

6
Denn ich habe meine Gerechten gesehen,

sie mit Heil gesättigt und sie vor mich gestellt;
aber für die Sünder steht das Gericht bei mir noch bevor,
um sie von der Oberfläche der Erde zu vernichten.

 

46. Kapitel
1
Ich sah dort den, der ein Greisenhaupt besitzt,

und sein Haupt war weiß wie Wolle,
und bei ihm war ein anderer,

[382]

dessen Antlitz das eines Menschen war,
und sein Angesicht war voll Anmut,
ähnlich dem eines heiligen Engels.

2
Ich fragte den Engel,

der mit mir ging und mir alle Geheimnisse zeigte
über jenen Menschensohn, wer er sei,
woher er stamme
und weshalb er mit dem Greisenhaupte gehe.

3
Er gab mir zur Antwort:

Dies ist der Menschensohn, der die Gerechtigkeit besitzt,
bei dem die Gerechtigkeit wohnt
und der alle Schätze der Geheimnisse offenbart;
denn der Herr der Geister hat ihn auserwählt
und sein Los übertrifft durch Rechtschaffenheit
in Ewigkeit alles vor dem Herrn der Geister.

4
Dieser Menschensohn, den du sahest,

macht die Könige und Machthaber von ihren Lagern
und die Starken von ihren Thronen aufstehen;
er löst die Zügel der Starken und zermalmt der Sünder Zähne.

5
Er verstößt die Könige von ihren Thronen

und aus ihren Reichen,
weil sie Ihn nicht erheben noch preisen
noch dankbar anerkennen,
woher ihnen das Königtum verliehen ward.

6
Er stößt das Angesicht des Starken nieder

und erfüllt sie mit Scham.
Finsternis wird ihre Wohnung und Gewürm ihre Lagerstatt sein;
sie dürfen nicht hoffen, sich von ihren Lagern zu erheben,
weil sie den Namen des Herrn der Geister nicht erheben.

7
Und das sind jene, die des Himmels Sterne richten

und ihre Hände gegen den Höchsten erheben,
die Erde niedertreten und auf ihr wohnen,
und alle Werke offenbaren Ungerechtigkeit;
ihre Macht stützt sich auf ihren Reichtum
und ihr Glaube wendet sich den Göttern zu,
die sie mit ihren Händen fertigten;
aber den Namen des Herrn der Geister verleugnen sie.

8
Sie verfolgen die Häuser Seiner Versammlungen

und die Gläubigen, die am Namen des Herrn der Geister hängen.

 

47. Kapitel
1
In jenen Tagen aber steigt das Gebet der Gerechten

und der Gerechten Blut von der Erde zum Herrn der Geister empor.

2
In diesen Tagen beten einstimmig die Heiligen,

die oben in den Himmeln wohnen,
bitten, loben, danken
und preisen den Namen des Herrn der Geister

[383]

wegen des vergossenen Blutes der Gerechten
und wegen ihres Gebetes,
daß es nicht vergeblich vor dem Herrn der Geister sei,
daß das Gericht an ihnen vollzogen werde,
daß dies aber für sie nicht ewig dauern möge.

3
In jenen Tagen sah ich,

wie sich der Betagte auf den Thron seiner Herrlichkeit setzte
und wie vor ihm die Bücher der Lebendigen aufgeschlagen wurden
und wie sein ganzes Heer, das oben in den Himmeln und rings um ihn ist,
vor ihm stand.

4
Die Herzen der Heiligen waren von Freude erfüllt,

weil die Zahl der Gerechten dargebracht,
das Gebet der Gerechten erhört
und der Gerechten Blut vor dem Herrn der Geister gerächt war.

 

48. Kapitel
1
In jenem Ort sah ich den Brunnen der Gerechtigkeit;

er war unerschöpflich
und rings um ihn gab es viele Brunnen der Weisheit.
Alle Durstigen tranken daraus
und wurden mit Weisheit erfüllt
und sie wohnten bei den Gerechten, Heiligen und Auserwählten.

2
Und in jener Stunde ward der Menschensohn vor dem Herrn der Geister genannt

und sein Name vor dem Betagten.

3
Bevor die Sonne und die Zeichen geschaffen

und bevor des Himmels Sterne gemacht wurden,
ward sein Name vor dem Herrn der Geister genannt.

4
Er wird ein Stab für die Gerechten sein,

daß sie sich darauf stützen und nicht fallen;
er wird das Licht der Völker und die Hoffnung der Betrübten sein.

5
Alle Erdbewohner fallen dann vor ihm nieder, beten an

und preisen, loben und lobsingen dem Herrn der Geister.

6
Zu diesem Zwecke ward er auserwählt

und vor Ihm verborgen,
bevor die Welt geschaffen wurde,
und er wird in Ewigkeit sein.

7
Und die Weisheit des Herrn der Geister

hat ihn den Heiligen und Gerechten geoffenbart;
denn er behütet das Los der Gerechten;
denn diese haßten und verachteten diese Welt der Ungerechtigkeit
und haßten auch alle ihre Werke und Wege im Namen des Herrn der Geister.
In seinem Namen ja werden sie gerettet
und von seinem Wohlgefallen hängt ihr Leben ab.

8
In jenen Tagen sind die Könige der Erde und die Mächtigen, die das Land besitzen,

wegen ihrer Hände Taten niedergeschlagenen Angesichts;
denn sie können am Tag ihrer Angst und Not ihre Seele nicht retten.

9
Ich übergebe sie dann in die Hände meiner Auserwählten;
[384]

wie Stroh im Feuer brennen sie vor dem Angesichte der Gerechten
und wie Blei im Wasser sinken sie vor den Heiligen unter
und keine Spur von ihnen wird gefunden.

10
Am Tage ihrer Not kehrt Ruhe auf Erden ein;

sie fallen vor ihnen nieder
und stehen nicht mehr auf.
Niemand ist dann da,
der sie bei den Händen nähme und aufrichtete;
denn sie verleugneten den Herrn der Geister und seinen Gesalbten.
Der Name des Herrn der Geister sei gepriesen!

 

49. Kapitel
1
Denn Weisheit ist wie Wasser ausgegossen,

und Herrlichkeit hört nicht mehr vor ihm in Ewigkeit auf.

2
Denn er ist mächtig in allen Geheimnissen der Gerechtigkeit

und Ungerechtigkeit verschwindet wie ein Schatten
und hat keinen Bestand.
Der Auserwählte steht ja vor dem Herrn der Geister
und seine Herrlichkeit währt von Ewigkeit zu Ewigkeit
und seine Macht von Geschlecht zu Geschlecht.

3
In ihm wohnt der Geist der Weisheit,

der Geist, der Einsicht gibt,
der Geist des Verstandes und der Kraft
und der Geist derer, die in Gerechtigkeit entschlafen sind.

4
Er wird die geheimen Dinge richten

und niemand kann vor ihm eine Lüge vorbringen;
denn er ist vor dem Herrn der Geister
nach dessen Wohlgefallen auserwählt.

 

50. Kapitel
1
In jenen Tagen wird eine Umwandlung

für die Heiligen und Auserwählten stattfinden;
das Licht des Tages wird über ihnen weilen
und Herrlichkeit und Ehre wenden sich den Heiligen zu.

2
Am Tag der Trübsal häuft sich Unheil über den Sündern an

und Gerechte siegen im Namen des Herrn der Geister
und Er läßt es dann die andern sehen,
damit sie Buße tun und auf ihrer Hände Tun verzichten.

3
Sie erlangen zwar keine Ehre durch den Namen des Herrn der Geister,

aber sie werden doch durch seinen Namen gerettet werden.
Und der Herr der Geister erbarmt sich ihrer;
denn seine Barmherzigkeit ist groß.

4
Er ist gerecht in seinem Gericht

und vor seiner Herrlichkeit hat keine Ungerechtigkeit Bestand.
Wer aber in seinem Gericht keine Buße tut,
geht zugrunde.

[385]
5
Von nun an will ich mich ihrer nicht mehr erbarmen,

spricht der Herr der Geister.

 

51. Kapitel: Auferstehung der Toten
1
In jenen Tagen gibt die Erde ihr Anvertrautes zurück,

ebenso die Unterwelt das Empfangene und die Hölle ihre Schuld.

2
Er wird die Gerechten und Heiligen unter ihnen auswählen;

denn der Tag ihrer Erlösung naht.

3
Der Auserwählte sitzt in jenen Tagen auf meinem Thron

und sein Mund strömt alle Geheimnisse der Weisheit und des Rates aus;
denn der Herr der Geister verleiht es ihm und verherrlicht ihn.

4
In jenen Tagen springen die Berge wie Widder

und hüpfen die Hügel wie Lämmer, mit Milch gesättigt,
und der Engel Angesicht im Himmel wird leuchten vor Freude.

5
Denn in jenen Tagen erhebt sich der Auserwählte

und die Erde freut sich
und die Gerechten wohnen auf ihr
und die Auserwählten wandeln darauf.

 

52. Kapitel
1
Nach jenen Tagen an dem Ort,

wo ich all die Gesichte über das Verborgene hatte,
– ich war nämlich durch einen Wirbelwind entrückt
und nach Westen geführt worden –

2
Daselbst sahen meine Augen des Himmels Geheimnisse all,

die noch geschehen sollen,
einen Berg von Eisen, einen von Kupfer, einen von Silber, einen von Gold,
einen von Weichmetall und einen von Blei.

3
Ich fragte den Engel, der mit mir ging:

Was für Dinge sind das, die ich im Verborgenen sah?

4
Er sprach zu mir:

All das, was du sahest,
dient der Herrschaft seines Gesalbten,
damit er stark und mächtig auf Erden werde.

5
Und jener Friedensengel gab mir zur Antwort:

Wart ein wenig
und dir wird alles Geheime, was den Herrn der Geister umgibt,
geoffenbart werden!

6
Jene Berge, die deine Augen schauten,

der Berg von Eisen, der von Kupfer, der von Silber,
der von Gold, der von Weichmetall und der von Blei,
sie alle werden vor dem Auserwählten wie Wachs vor dem Feuer
und wie Wasser, das von oben herab über jene Berge fließt;
sie werden schwach vor seinen Füßen werden.

7
In jenen Tagen kann sich keiner retten,

weder mit Gold noch mit Silber;
nicht einer kann entfliehen.

[386]
8
Es gibt dann kein Eisen mehr für den Krieg,

noch Kleiderstoff für Brustpanzer;
Erz wird nichts nützen,
noch Zinn etwas frommen oder geschätzt sein
und Blei bleibt unbegehrt.

9
Alle diese Dinge werden vernichtet und von der Erde vertilgt,

wenn der Auserwählte vor dem Herrn der Geister erscheint.

 

53. Kapitel
1
Dort sahen meine Augen ein tiefes Tal mit offenem Schlund

und alle, die das Festland, das Meer und die Inseln bewohnten,
bringen ihm dann Gaben, Geschenke und Huldigungszeichen dar;
doch wird jenes Tal nicht voll davon werden.

2
Ihre Hände verüben Verbrechen

und die Sünder verschlingen alle,
die sie frevelhaft unterdrücken.
Aber die Sünder werden vor dem Herrn der Geister vertilgt
und von seiner Erde verjagt,
und sie gehen für immer zugrunde.

3
Denn ich sah, wie die Plageengel dort verweilten

und allerlei Marterwerkzeuge dem Satan zurechtmachten.

4
Da fragte ich den Friedensengel, der mit mir ging:

Für wen bereiten sie diese Werkzeuge?

5
Er sprach zu mir:

Für die Könige und für die Mächtigen dieser Erde,
damit sie vernichtet werden.

6
Dann läßt der Gerechte und Auserwählte das Haus seiner Gemeinde wieder erscheinen;

von nun an wird sie nicht mehr behindert,
im Namen des Herrn der Geister.

7
Diese Berge werden vor seiner Gerechtigkeit nicht mehr so dastehen,

wie die Erde;
die Hügel dagegen werden wie eine Wasserquelle sein,
und die Gerechten haben dann Ruhe vor der Bedrückung der Sünder.

 

54. Kapitel
1
Ich blickte auf und wandte mich einem andern Teil der Erde zu;

dort sah ich ein tiefes Tal mit loderndem Feuer.

2
Und sie brachten die Könige und die Mächtigen

und warfen sie in dieses tiefe Tal.

3
Und meine Augen sahen,

wie man eiserne Ketten von unermeßlichem Gewicht als Marterwerkzeuge machte.

4
Da fragte ich den Friedensengel, der mit mir ging:

Für wen werden diese Ketten bereitet?

5
Er sprach zu mir:

Für die Scharen Azazels,
um sie zu ergreifen und in den Abgrund der vollendeten Verdammnis zu werfen.
Mit groben Steinen wird man ihre Kinnlade bedecken,
so wie es der Herr der Geister befiehlt.

[387]
6
Michael, Gabriel, Raphael und Phanuel

packen sie an jenem großen Tag
und werfen sie an jenem Tag in den brennenden Feuerofen,
damit der Herr der Geister Rache für ihre Ungerechtigkeit nehme,
dafür, daß sie dem Satan untertan wurden
und die Erdbewohner verführten.

7
In jenen Tagen wird das Strafgericht des Herrn der Geister anheben

und Er öffnet alle Wasserkammern, die oberhalb des Himmels,
und die Brunnen, die unter der Erde sind.

8
Alle Wasser mischen sich miteinander;

das Wasser oberhalb des Himmels ist das männliche
und das unterirdische Wasser ist das weibliche.

9
Und sie vernichten alle Bewohner der Erde

und die unter den Enden des Himmels.

10
Und wenn diese ihr auf Erden verübtes Unrecht erkannt haben,

dann gehen sie dadurch zugrunde.

 

55. Kapitel
1
Hernach empfand der Betagte Reue und sprach:

„Vergeblich habe ich alle Erdbewohner vernichtet.“

2
Dann schwur er bei seinem großen Namen:

„Von nun an will ich an keinem der Erdbewohner also mehr tun;
ich setze jetzt ein Zeichen an den Himmel,
und dies soll zwischen mir und ihnen
ein Unterpfand der Treue bis in Ewigkeit sein,
solange, als der Himmel über der Erde ruht.“ –

3
„Wenn ich verlangt habe,

daß sie deshalb durch die Hand der Engel
am Tag der Trübsal und Pein gepackt werden,
dann bleibt mein Zorn und meine Züchtigung auf ihnen,“
spricht Gott, der Herr der Geister.

4
Ihr mächtigen Könige, die ihr auf Erden wohnet!

Ihr sollt meinen Auserwählten sehen,
wenn er auf dem Thron der Glorie sitzt
und Azazel, seine Verbündeten
und all seine Scharen im Namen des Herrn der Geister richtet.

 

56. Kapitel: Der Heiden Ansturm gen Jerusalem
1
Ich sah dort die Scharen der Strafengel einherziehen

und sie trugen Peitschen und Ketten von Eisen und Erz.

2
Ich fragte den Friedensengel, der mit mir ging:

Zu wem gehen diese mit den Peitschen?

3
Er sprach zu mir:

Zu ihren Auserwählten und Geliebten,
um sie in den tiefsten Abgrund des Tals zu werfen.

[388]
4
Dann füllt sich jenes Tal mit ihren Auserwählten und Geliebten an;

ihre Lebenstage sind zu Ende
und die Tage ihrer Verführung werden von nun an nicht mehr gezählt

5
In jenen Tagen kehren die Engel zurück

und wenden sich nach Osten zu den Parthern und Medern;
sie reizen die Könige, so daß ein Geist der Unrast sie befällt,
und sie jagen sie von ihren Thronen auf,
daß sie wie Löwen von ihren Lagern aufstehen
und wie hungrige Wölfe in Herden einbrechen.

6
Sie ziehen herauf und treten das Land seiner Auserwählten nieder

und das Land seiner Auserwählten wird vor ihnen
wie eine Dreschtenne und fester Pfad.

7
Aber die Stadt meiner Gerechten wird für ihre Rosse ein Hindernis sein;

sie beginnen dann untereinander das Morden
und ihre Rechte erstarkt gegen sie selber.
Kein Mann erkennt mehr seinen Bruder,
noch der Sohn seinen Vater oder seine Mutter,
bis durch ihr Morden ihre Leichen unzählbar werden;
ihr Strafgericht wird nicht vergeblich sein.

8
In jenen Tagen sperrt die Unterwelt ihren Rachen auf;

sie sinken hinab und ihr Untergang wird zu Ende sein.
Die Unterwelt verschlingt die Sünder
in Gegenwart der Auserwählten.

 

57. Kapitel: Heimkehr der Diaspora
1
Danach sah ich eine Schar Wagen, worin Menschen fuhren,

und sie kamen auf Windesflügeln von Osten und Westen zum Süden.

2
Man hörte den Lärm ihrer Wagen,

und als dieses Getümmel entstand,
bemerkten es die Heiligen vom Himmel her
und die Grundpfeiler der Erde wurden von ihrer Stätte bewegt;
ja man hörte den Lärm
von einem Ende des Himmels bis zum andern einen ganzen Tag lang.

3
Sie werden alle niederfallen

und den Herrn der Geister anbeten.
Dies ist das Ende der zweiten Bilderrede.

 

Dritte Bilderrede 58–69
58. Kapitel: Endgericht des Messias
1
Darauf begann ich mit der dritten Bilderrede über die Gerechten und Auserwählten.
2
Selig seid ihr Gerechten und Auserwählten!

Denn herrlich wird euer Los sein.

3
Die Gerechten sind dann im Licht der Sonne

und die Auserwählten im Licht des ewigen Lebens;
ihre Lebenstage haben kein Ende
und der Heiligen Tage sind ohne Zahl.

[389]
4
Sie suchen das Licht

und finden Gerechtigkeit beim Herrn der Geister;
die Gerechten haben Frieden im Namen des Herrn der Welt.

5
Danach sagt man den Heiligen,

daß sie im Himmel die Geheimnisse der Gerechtigkeit,
das Los des Glaubens, suchen sollen;
denn es ist dann hell gleich Sonnenschein auf Erden geworden
und die Finsternis entwichen.

6
Da ist ein Licht, das nicht mehr endet,

und die Tage kommen an kein Ende;
denn die Finsternis wird zuerst vernichtet,
und das Licht wird von dem Herrn der Geister aufgestellt
und das Licht der Rechtschaffenheit leuchtet
dann für immer vor dem Herrn der Geister.

 

59. Kapitel: Blitz und Donner
1
In jenen Tagen sahen meine Augen die Geheimnisse der Blitze,

ebenso die der Lichter und ihr Gesetz;
sie blitzen zum Segen oder zum Fluch,
wie der Herr der Geister will.

2
Dort sah ich die Geheimnisse des Donners

und wie der Schall davon unten gehört wird,
wenn er oben im Himmel ertönt;
er ließ mich auch die an der Erde vollzogenen Gerichte sehen,
wie sie zum Heil und Segen oder zum Fluch
nach dem Geheiß des Herrn der Geister, dienen.

3
Danach wurden mir alle Geheimnisse der Lichter und Blitze gezeigt,

wie sie zum Segen und zur Sättigung der Erde blitzen. –

 

60. Kapitel: Sintflut
1
Im Jahr fünfhundert, am vierzehnten Tag des siebten Monats in Henochs Leben.

In jener Bilderrede sah ich,
wie der Himmel der Himmel gewaltig erbebte
und des Höchsten Heer,
die Engel, tausendmal Tausende und zehntausendmal Zehntausende,
in große Aufregung kamen.

2
Und der Betagte saß auf dem Thron seiner Herrlichkeit,

während die Engel und die Gerechten um ihn herum standen.

3
Da faßte mich ein gewaltiges Zittern

und Furcht ergriff mich;
meine Hüften krümmten sich
und meine Bänder lösten sich;
da fiel ich auf mein Antlitz nieder.

4
Da sandte Michael einen andern Engel von dem Heiligen

und dieser richtete mich auf.
Als er mich aufgerichtet hatte,

[390]

kehrte mein Geist zurück;
denn ich war nicht imstand gewesen, den Anblick jenes Heeres,
die Erschütterung und das Erbeben des Himmels auszuhalten.

5
Da sprach Michael zu mir:

Was für ein Anblick hat dich so verwirrt?
Bis heute währte der Tag seiner Barmherzigkeit
und Er war barmherzig und langmütig gegen die Erdbewohner.

6
Aber wenn der Tag der Gewalt, der Strafe und des Gerichts kommt,

der Tag, den der Herr der Geister für die bereitet hat,
die nicht das gerechte Gesetz anerkennen,
vielmehr das gerechte Gesetz leugnen
und Seinen Namen mißbrauchen,
dann ist dieser Tag vorbereitet,
für die Auserwählten ein Bund,
für die Sünder aber eine Untersuchung.

7
An jenem Tag werden zwei Ungeheuer verteilt,

ein weibliches namens Leviathan,
um in des Meeres Tiefe über den Wasserquellen zu hausen.

8
Das männliche aber heißt Behemot;

dies nimmt mit seiner Brust eine ungeheure Wüste namens Duidain ein,
im Osten des Gartens, wo die Auserwählten und Gerechten wohnen
und wohin mein Großvater aufgenommen wurde,
der siebte von Adam her, dem ersten Menschen,
den der Herr der Geister schuf.

9
Ich bat jenen andern Engel, mir die Macht jener Ungeheuer zu zeigen,

wie sie an einem Tag geschieden
und das eine in die Meerestiefe,
das andere auf das trockene Land der Wüste geworfen wurden.

10
Er sprach zu mir: Du Menschensohn!

Du willst hier etwas wissen, was geheim ist.

11
Da sprach zu mir der andere Engel, der mit mir ging

und mir zeigte, was verborgen ist,
das Erste und das Letzte, im Himmel, in der Höhe
und unter der Erde in der Tiefe,
an des Himmels Enden und auf dem Grund der Himmel

12
und in den Kammern der Winde

und wie die Winde verteilt sind
und wie sie gewogen werden
und wie die Pforten der Winde geschützt werden,
jedes nach der Stärke des Windes
und nach der Macht des Mondlichtes
und nach der zu treffenden Festigkeit,
ferner die Abteilungen der Sterne nach ihren Namen
und wie alle Abteilungen eingeteilt waren,

13
und die Donnerschläge nach ihren Orten, wohin sie fallen,

und alle Abteilungen,
die unter den Blitzen gemacht werden, damit es blitze,
und ihre Scharen, damit sie sogleich gehorchen.

[391]
14
Denn der Donner hat feste Regeln für die ihm bestimmte Schalldauer.

Donner und Blitz sind unzertrennlich
und obgleich nicht eins, noch ungeteilt,
gehen sie beide zusammen durch den Geist und trennen sich nicht.

15
Denn wenn der Blitz leuchtet,

dann lässt der Donner seine Stimme erschallen
und der Geist erzwingt eine Pause während des Schalles
und trennt beide gleicherweise.
Der Vorrat ihrer Schläge ist ja gleich dem Sand
und jeder davon wird bei seinem Ertönen mit einem Zügel gehalten,
durch die Kraft des Geistes zurückgedreht
und dann vorwärts gestoßen
nach den verschiedenen Erdteilen.

16
Der Geist des Meeres ist männlich und stark

und nach der Stärke seiner Kraft
zieht er das Meer mit einem Zaum zurück;
dann wird es ähnlich fortgestoßen
und zu allen Erdengrenzen hin zerstreut.

17
Der Geist des Reifs ist ein besonderer Engel,

und der Geist des Hagels ist ein guter Engel.

18
Der Geist des Schnees verließ wegen seiner Stärke seine Kammer;

deshalb ist ein eigener Geist darin
und was daraus aufsteigt, ist wie Rauch und heißt Frost.

19
Der Geist des Nebels ist nicht bei ihnen in ihren Kammern vereinigt,

sondern hat eine besondere Kammer;
denn sein Gang ist herrlich in Licht und Dunkelheit,
im Winter und im Sommer
und in seiner Kammer ist ein Engel.

20
Der Geist des Taues hat an des Himmels Enden seine Wohnung,

die mit den Kammern des Regens zusammenhängt.
Er tritt im Winter und im Sommer auf,
und seine Wolken und die des Nebels hängen zusammen;
einer gibt dem andern Kraft.

21
Will der Geist des Regens aus seiner Kammer,

dann erscheinen die Engel, öffnen die Kammer und lassen ihn heraus
und wenn er sich über die ganze Erde ergießt,
dann eint er sich mit dem Wasser auf der Erde.

22
Denn die Gewässer sind für die Erdbewohner da;

der Höchste im Himmel hat sie ja zur Ernährung für die Erde bestimmt.
Deshalb gibt es ein Maß für den Regen
und die Engel nehmen es in Obhut.

23
Und diese Dinge sah ich gegen den Garten der Gerechten hin.
24
Und der Friedensengel, der bei mir war, sprach zu mir:

Diese zwei Ungeheuer, nach Gottes Größe geschaffen,
sollen verspeist werden, –
damit Gottes Strafgericht nicht umsonst sei,
und die Söhne werden samt ihren Müttern
und Kinder mit ihren Vätern getötet werden.

[392]
25
Wenn das Strafgericht des Herrn der Geister auf ihnen ruhen wird,

dann bleibt es,
damit nicht das Strafgericht des Herrn der Geister vergeblich komme. –
Dann findet das Gericht nach seiner Barmherzigkeit und Geduld statt. –

 

61. Kapitel
1
Ich sah in jenen Tagen,

wie jenen Engeln lange Schnüre gegeben wurden:
da nahmen sie sich Flügel, flogen
und wandten sich dem Norden zu.

2
Da fragte ich den Engel:

Warum nahmen jene lange Schnüre und gingen fort?
Er sprach zu mir:
Sie gingen zum Messen fort.

3
Und der Engel, der mit mir ging, sprach zu mir:

Diese bringen die Maße der Gerechten
und die Schnüre der Gerechtigkeit den Gerechten,
damit sie für immer im Namen des Herrn der Geister feststehen könnten.

4
Der Auserwählte wird anfangen, bei dem Auserwählten zu wohnen

und dies sind die Maße,
die dem Glauben gegeben werden und die Gerechtigkeit festigen.

5
Diese Maße offenbaren alle Geheimnisse der Erdentiefe,

sowohl die in der Wüste Umgekommenen
als die von den Fischen des Meeres und den wilden Tieren Verschlungenen,
damit sie wiederkehren und feststehen am Tag der Auserwählten;
denn keiner kommt vor dem Herrn der Geister um
und keiner kann vermißt werden.

6
Und alle im Himmel Wohnenden erhielten einen Befehl,

und eine Kraft,
Eine Stimme und Ein Licht, dem Feuer gleich.

7
Und sie priesen jenen einstimmig

und lobten und erhoben ihn mit Weisheit
und zeigten sich weise in der Rede und im Geist des Lebens.

8
Der Herr der Geister setzte dann den Auserwählten

auf den Thron seiner Herrlichkeit.
Er wird alle Werke der Heiligen oben im Himmel richten
und mit der Wage werden ihre Werte abgewogen.

9
Erhebt er sein Angesicht,

um ihre verborgenen Wege
nach dem Wert des Namens des Herrn der Geister
und ihren Pfad nach dem Weg des gerechten Gerichts des Herrn der Geister zu richten,
dann werden alle mit Einer Stimme
preisen, erheben und loben den Namen des Herrn der Geister.

11
Er ruft dann das ganze Himmelsheer, alle Heiligen in der Höhe

und die Scharen Gottes, die Cherubim, Seraphim und Ophanim,
alle Engel der Gewalt, alle Engel der Herrschaften,
den Auserwählten und die andern Mächte auf der Erde und über dem Wasser.

[393]
11
Und sie heben an jenem Tag mit Einer Stimme an,

preisen, rühmen, loben
und loben im Geist des Glaubens,
der Weisheit, Geduld, Barmherzigkeit,
des Rechts, des Friedens und der Güte,
und alle sprechen mit Einer Stimme:
„Preis sei Ihm!
Der Name des Herrn der Geister werde in alle Ewigkeit gepriesen!“

12
Alle, die im Himmel oben nicht schlafen, werden Ihn preisen;

alle Heiligen im Himmel preisen Ihn,
ebenso alle Auserwählten, die im Garten des Lebens wohnen,
und jeder Lichtgeist, der imstand ist,
zu preisen, zu rühmen, zu loben und zu heiligen deinen heiligen Namen,
und alles Fleisch wird über die Maßen deinen Namen preisen
und rühmen in Ewigkeit.

13
Denn groß ist die Barmherzigkeit des Herrn der Geister

und Er ist langmütig.
Alle seine Werke und alle seine Schöpfungen
offenbarte er den Gerechten und Auserwählten
im Namen des Herrn der Geister.

 

62. Kapitel
1
Und so befahl der Herr den Königen, den Mächtigen und den Hohen

sowie den Erdbewohnern:
„Öffnet eure Augen und erhebet eure Hörner,
wenn ihr den Auserwählten erkennen könnet!“

2
Der Herr der Geister setzte ihn auf den Thron Seiner Herrlichkeit.

Und der Geist der Gerechtigkeit ward über ihn ausgegossen;
seines Mundes Rede tötete alle Sünder
und alle Ungerechten wurden von ihm vernichtet.

3
An jenem Tag erheben sich alle Könige, Mächtige, Hohe und die andern Erdbesitzer,

und sie werden sehen und erkennen,
wie er auf dem Throne seiner Herrlichkeit sitzt
und gerecht wird von ihm gerichtet
und kein Lügenwort vor ihm ausgesprochen.

4
Da kommt Schmerz über sie,

wie über ein Weib in Wehen,
dem das Gebären schwer wird,
wenn sein Kind in den Muttermund tritt,
und das beim Gebären Schmerzen hat.

5
Ein Teil von ihnen schaut dann den andern an;

sie erschrecken, senken ihren Blick
und Schmerz ergreift sie
wenn sie den Menschensohn auf dem Thron seiner Herrlichkeit sitzen sehen.

6
Die Könige, die Mächtigen und alle andern Erdbesitzer

rühmen, preisen und erheben dann den,
der über alles herrscht und der verborgen war.

[394]
7
Denn von Anbeginn war der Menschensohn verborgen,

und der Höchste bewahrte ihn in Gegenwart seiner Macht auf
und offenbarte ihn den Auserwählten.

8
Die Gemeinde der Auserwählten und Heiligen wird dann gesät

und alle Auserwählten stehen an jenem Tag vor ihm.

9
Alle Könige, Mächtige, Hohe und die andern Erdbesitzer

fallen vor ihm auf ihr Antlitz nieder und beten an;
sie setzen ihre Hoffnung auf jenen Menschensohn,
flehen ihn an und erbitten von ihm Barmherzigkeit.

10
Trotzdem wird jener Herr der Geister sie drängen,

dass sie sich schleunigst aus seinem Angesicht entfernen;
ihr Antlitz wird von Scham erfüllt
und Finsternis wird darauf gehäuft werden.

11
Und Er übergibt sie den Strafengeln,

um Rache dafür an ihnen zu nehmen,
daß sie seine Kinder und seine Auserwählten mißhandelten.

12
Sie geben den Gerechten und seinen Auserwählten ein Schauspiel;

sie freuen sich dann über sie,
weil der Zorn des Herrn der Geister auf ihnen ruht
und sich sein Schwert an ihrem Blut berauscht.

13
Die Gerechten und Auserwählten werden an jenem Tag gerettet

und schauen dann nicht mehr der Sünder und Ungerechten Antlitz.

14
Der Herr der Geister wohnt dann über ihnen,

und sie essen mit dem Menschensohn,
legen sich nieder und stehen für alle Ewigkeit auf.

15
Die Gerechten und Auserwählten stehen aus der Erde auf

und hören auf, den Blick zu senken.

16
Sie werden mit den Gewändern der Herrlichkeit bekleidet,

und dies sind die Kleider des Lebens vom Herrn der Geister.
Eure Gewänder werden nicht veralten
und eure Herrlichkeit nicht vergehen vor dem Herrn der Geister.

 

63. Kapitel
1
In jenen Tagen werden die Mächtigen und die Könige, die die Erde besitzen,

Ihn anflehen,
daß er ihnen ein wenig Ruhe vor seinen Strafengeln gewähre,
denen sie überliefert sind,
damit sie niederfallen,
vor dem Herrn der Geister
und ihre Sünden vor ihm bekennen können.

2
Sie preisen und loben den Herrn der Geister

und sprechen:
„Gepriesen ist der Herr der Geister,
der Herr der Könige, der Herr der Mächtigen,
der Herr der Herrscher,
der Herr der Herrlichkeit, der Herr der Weisheit,
vor dem ein jegliches Geheimnis offen liegt.

[395]
3
Es währet von Geschlechte zu Geschlechte deine Macht

und deine Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Unzählig, tief sind alle deine Geheimnisse
und deine Gerechtigkeit ist unberechenbar.

4
Wir sehen nunmehr ein,

daß wir den Herrn der Könige,
den Herrscher über alle Könige lobpreisend rühmen sollen.“

5
Auch sagen sie:

„Wer gönnt uns Ruhe,
auf daß wir rühmen, danken, preisen
und unsern Glauben auch vor Seiner Herrlichkeit bekennen?

6
Jetzt wünschen wir für uns ein wenig Ruhe,

finden diese aber nicht,
und wir verfolgen sie gar scharf;
doch holen wir sie niemals ein.
Das Licht ist uns entschwunden,
und Finsternis ist unsere ewige Wohnung.

7
Denn wir bekannten unsern Glauben nicht vor Ihm,

noch rühmten wir des Herrn der Geister Namen,
noch priesen wir je unsern Herrn.
Auf unseres Reiches Zepter und auf unserm Ruhme ruhte unsere Hoffnung.

8
Am Tage unserer Not und Trübsal rettet er uns nicht;

wir finden keinen Aufschub zum Bekenntnis,
daß unser Herr in allem seinem Tun und Richten, Rechten ist wahrhaftig
und seine Gerichte niemals die Personen ansehen.

9
Vor seinem Angesicht vergehen wir um unserer Werke willen,

und alle unsere Sünden sind genau gezählt.

10
Jetzt werden sie zu sich selbst sagen:

„Von ungerechtem Mammon ist zwar unsere Seele satt:
doch hindert dieses nicht,
daß wir zur Flamme in der Höllen Pein hinabfahren!

11
Hernach erfüllt sich ihr Antlitz mit Finsternis und Scham vor dem Menschensohn;

sie werden aus seiner Gegenwart vertrieben,
und das Schwert wird unter ihnen vor seinem Angesicht wüten.

12
Also sprach der Herr der Geister:

Dies ist das vor dem Herrn der Geister festgesetzte Gericht
über die Mächtigen, die Könige,
die Hohen und die andern Erdbesitzer.

 

64. Kapitel
1
Noch andere Gestalten sah ich an jenem Ort versteckt.
2
Ich hörte den Engel sagen:

Dies sind die Engel,
die vom Himmel auf die Erde herabstiegen,
das Verborgene den Menschenkindern offenbarten
und sie zur Begehung von Sünden verführten. –

[396]
65. Kapitel: Noe
1
In jenen Tagen sah Noe, wie die Erde sank

und wie ihr Verderben näher kam.

2
Da zog er von dort fort, wanderte bis an der Erde Enden

und schrie zu seinem Großvater Henoch.
Dreimal rief er mit erbitterter Stimme:
„Hör mich!
Hör mich!
Hör mich!“

3
Und ich sprach zu ihm:

Sag mir, was auf der Erde vor sich geht,
daß sie so übel daran und erschüttert ist!
Daß ich nur nicht selber mit ihr untergehe!

4
Sogleich fand ein großes Erdbeben statt,

und eine Stimme ließ sich vom Himmel her vernehmen,
so daß ich auf mein Angesicht fiel.

5
Da kam mein Großvater Henoch,

trat neben mich und sprach zu mir:
Warum schrieest du zu mir so bitterlich unter Tränen?

6
Ein Befehl ging ja vom Angesicht des Herrn über die Erdbewohner aus,

daß dies ihr Ende sein solle,
weil sie alle Geheimnisse der Engel
und alle Gewalttaten der Satane lernten,
sowie alle verborgenen Kräfte und alle Kräfte der Zauberer,
ferner die Kraft der Beschwörungen
und die Kraft derer, die für die ganze Erde Gußbilder gießen,

7
endlich, wie man Silber aus dem Edelstaub gewinnt

und wie das Weichmetall auf Erden entsteht.

8
Denn Blei und Zinn wird nicht aus der Erde gewonnen, wie das erste;

eine Quelle erzeugt sie, und ein Engel steht darin,
und dieser Engel kühlt sie ab.

9
Darauf nahm mich mein Großvater Henoch an der Hand,

richtete mich auf
und sprach zu mir: Geh!
Denn ich habe den Herrn der Geister wegen dieses Erdbebens gefragt.

10
Und Er sprach zu mir:

Wegen ihrer Ungerechtigkeit ist das Gericht über sie endgültig beschlossen
und es wird nicht mehr durch mich aufgehalten.
Wegen der Zaubereien, die sie erforschten und erlernten,
wird die Erde mit ihren Bewohnern vernichtet werden.

11
Für diese gibt es keine Gelegenheit zur Reue mehr;

denn man zeigte ihnen, was verborgen war,
und so werden sie gerichtet werden.
Aber, was dich betrifft, mein Sohn,
so weiß der Herr der Geister, daß du rein bist
und über den Vorwurf betreffs der Geheimnisse erhaben.

12
Er versetzte deinen Namen unter die Heiligen
[397]

und bewahrt dich unter den Erdbewohnern;
er bestimmt deine fromme Nachkommenschaft
für Königtum und große Würden
und aus deinem Stamm entspringt
ein Quell zahlloser Gerechter und Frommer immerdar.

 

66. Kapitel
1
Hernach zeigte er mir die Strafengel,

die bereit stehen, zu kommen
und alle unterirdischen Wasserkräfte loszulassen,
um über alle Erdbewohner Gericht und Verderben zu bringen.

2
Der Herr der Geister gab nun den ausziehenden Engeln den Befehl,

die Gewässer nicht strömen zu lassen,
sondern zurückzuhalten;
denn diese Engel waren über die Wasserkräfte gesetzt.

3
Da ging ich von Henoch weg.

 

67. Kapitel: Bestrafung der Engel
1
In jenen Tagen erging das Wort Gottes an mich

und Er sprach zu mir:
Noe! Dein Los kam vor mich,
ein untadeliges Los, ein Los der Liebe und Rechtschaffenheit.

2
Nun machen die Engel ein Gebäude aus Holz,

und sind sie mit der Arbeit fertig,
dann lege ich meine Hand darauf
und nehme es in meinen Schutz.
Ein Lebenssame wird daraus hervorgehen
und die Erde sich so wandeln,
daß sie nicht menschenleer bleibt.

3
Ich gebe deinen Nachkommen ewige Dauer vor mir

und breite die, die bei dir wohnen, aus;
sie sollen nicht unfruchtbar auf der Erde sein;
sie werden vielmehr gesegnet sein
und sich auf Erden im Namen des Herrn vermehren.

4
Und er wird die Engel, die Ungerechtigkeit zeigten,

in jenem brennenden Tal einschließen,
das mir mein Großvater Henoch zuvor gezeigt hatte,
im Westen bei den Bergen des Goldes, Silbers, Eisens,
des Weichmetalls und des Zinnes.

5
Ich sah jenes Tal,

worin ein großes Wogen und Wallen der Gewässer stattfand.

6
Bei alledem entstand aus dem feuerflüssigen Metall

und der Erschütterung an jenem Ort
ein Schwefelgeruch, der sich mit jenen Gewässern verband,
und das Tal der verführerischen Engel brennt unterirdisch weiter.

7
Durch seine Täler fließen Feuerströme,

da, wo jene Engel, die die Erdbewohner verführten, gerichtet werden.

[398]
8
Aber jene Wasser dienen in jenen Tagen

den Königen, Mächtigen, Hohen
und den andern Erdbewohnern zur Heilung des Leibes,
aber auch zur Bestrafung des Geistes.
Weil ihr Geist voll Wollust ist,
werden sie an ihrem Leib gestraft.
Denn sie verleugneten den Herrn der Geister;
sie sahen täglich ihr Gericht,
glaubten aber nicht an seinen Namen.

9
Im gleichen Verhältnis,

wie das Brennen ihres Leibes zunimmt,
wird eine Änderung in ihrem Geist für immer vor sich gehen;
denn niemand darf vor dem Herrn der Geister ein eitles Wort reden.

10
Es kommt ja das Gericht über sie,

weil sie an die Wollust ihres Fleisches glauben
und den Geist des Herrn verleugnen.

11
Die gleichen Gewässer erfahren in jenen Tagen eine Veränderung.

Denn wenn jene Engel in diesen Gewässern gepeinigt werden,
dann ändert sich die Temperatur jener Wasserquellen;
wenn aber die Engel heraussteigen,
dann ändert sich das Quellwasser
und kühlt sich ab.

12
Ich hörte Michael anheben und sprechen:

Dieses Gericht, womit die Engel gerichtet werden,
ist ein Zeugnis für die Könige, die Mächtigen
und die andern Erdbesitzer.

13
Es dienen ja diese Gerichtswasser den Königen zur Heilung

sowie zur Leibeslust;
doch wollen sie es nicht einsehen und glauben,
daß sich jene Gewässer ändern
und zu einem ewig lodernden Feuer werden können.

 

68. Kapitel
1
Danach überlieferte mir mein Großvater Henoch

die Lehren aller Geheimnisse in dem Buch
und in den Bilderreden, die ihm gegeben worden waren,
und er stellte sie für mich
in den Worten des Buches der Bilderreden zusammen.

2
An jenem Tag gab Michael dem Raphael den Bescheid:

„Die Aufregung des Geistes reißt mich fort
und macht mich zittern
wegen der Strenge des Gerichtes,
wegen der Geheimnisse und des Engelgerichtes.
Wer kann das strenge Gericht, das vollzogen wird, ertragen,
ohne davor zu vergehen?

3
Und Michael sprach weiter zu Raphael:

Wessen Herz erweicht nicht darüber

[399]

und wessen Nieren werden nicht in Unruhe versetzt
durch dies Wort vom Gericht, das über sie erging
wegen derer, die sie verführt hatten?

4
Als er nun vor dem Herrn der Geister stand,

sprach Michael also zu Raphael:
Ich will nicht unter des Herrn Augen für sie eintreten;
denn der Herr der Geister ist über sie ergrimmt,
weil sie tun, als wären sie der Herr.

5
Darum kommt alles Verborgene über sie für immer;

denn weder Engel noch Menschen sind daran beteiligt;
sie allein empfangen ihr Urteil für ewig.

 

69. Kapitel: Der Fall der Engel
1
Nach diesem Gericht wird man ihnen Angst und Schrecken einjagen,

weil sie dies den Erdbewohnern verraten haben.

2
Dies sind die Namen jener Engel, ja dies ihre Namen:

Der erste von ihnen ist Semjaza,
der zweite Artakifa,
der dritte Armen,
der vierte Kokabel,
der fünfte Turael,
der sechste Rumjal,
der siebte Danjal,
der achte Nekael,
der neunte Barakel,
der zehnte Azazael,
der elfte Armaros,
der zwölfte Batarjal,
der dreizehnte Busasejal,
der vierzehnte Hananel,
der fünfzehnte Turel,
der sechzehnte Simapesiel,
der siebzehnte Jetrel,
der achtzehnte Tumael,
der neunzehnte Turel,
der zwanzigste Rumael
und der einundzwanzigste Azazel.

3
Und dies sind die Häupter ihrer Engel

und die Namen ihrer Anführer über 100, 50 und 10.

4
Der Name des ersten ist Jekon;

das ist der, der alle Kinder der Engel verführte,
sie auf die Erde verbrachte
und durch die Menschentöchter verführte.

5
Der zweite hieß Asbeel;

dieser gab den Engelskindern einen bösen Rat,
so daß sie ihre Leiber durch die Menschentöchter verderbten.

6
Der dritte hieß Gadreel;
[400]

dieser zeigte den Menschenkindern all die Todesstreiche.
Auch verführte er Eva
und zeigte den Menschenkindern die Mordwerkzeuge,
den Panzer, den Schild, das Schlachtschwert,
überhaupt alle Mordwaffen.

7
Von seiner Hand stammen diese bei den Erdbewohnern

von damals bis in alle Zeiten.

8
Der vierte hieß Penemue;

er lehrte die Menschenkinder Bitter und Süß
und lehrte sie alle Geheimnisse ihrer Weisheit.

9
Er unterrichtete auch Menschen

im Schreiben mit Tinte und auf Papier
und dadurch versündigten sich viele
seit uralter Zeit durch alle Zeiten bis auf diesen Tag.

10
Denn die Menschen sind nicht dazu geschaffen,

daß sie in dieser Weise
durch Feder und Tinte ihre Ehrlichkeit bekräftigen.

11
Es wurden ja die Menschen ganz gleich wie die Engel geschaffen;

sie sollten gerecht und rein bleiben,
und der alles vernichtende Tod hätte sie nicht berührt;
aber durch dieses Wissen gehen sie zugrunde,
und durch diese Kraft verzehren sie sich.

12
Der fünfte hieß Kasdeja;

dieser lehrte die Menschenkinder allerlei böse Schläge
der Geister und Dämonen,
ebenso die Schläge gegen die Frucht im Mutterleib zum Abgehen,
den Schlangenbiß, die Hitzschläge
und den Schlangensohn namens Tabaet.

13
Und das ist die Aufgabe des Kasbeel,

der den Heiligen den Hauptschwur zeigte,
als er hoch oben in Herrlichkeit wohnte,
und er hieß Bika.

14
Dieser bat Michael,

er möge ihm den verborgenen Namen kundtun,
damit man den geheimnisvollen Namen erfahre
und ihn beim Schwören gebrauchen könnte,
obwohl die, die den Menschenkindern alles Verborgene zeigten,
vor dem Namen und Eid zitterten.

15
So ist die Kraft dieses Eides;

denn er ist stark und kräftig.
Er legte diesen Eid Akaë in Michaels Hand.

16
Dies sind die Geheimnisse jenes Eides:

Durch seinen Schwur wurde der Himmel befestigt und aufgehängt,
bevor die Welt geschaffen ward, und zwar bis in Ewigkeit.

17
Durch ihn ward die Erde über dem Wasser gegründet

und kamen aus den verborgenen Örtern der Berge herrliche Gewässer
von der Schöpfung der Welt an bis in Ewigkeit.

[401]
18
Durch jenen Schwur war das Meer geschaffen

und als Bollwerk gab Er ihm für die Zeit seines Wütens den Sand;
und es darf nicht darüber hinausgehen seit der Weltschöpfung bis in Ewigkeit.

19
Durch jenen Schwur sind die Abgründe befestigt

und stehen unbeweglich an ihrem Ort von Ewigkeit zu Ewigkeit.

20
Durch jenen Schwur vollenden Sonne und Mond ihren Lauf

und weichen nicht von ihrer Bahn von Ewigkeit zu Ewigkeit.

21
Durch jenen Schwur vollenden die Sterne ihren Lauf.

Er ruft sie bei Namen,
und sie antworten ihm von Ewigkeit zu Ewigkeit,

22
ebenso die Geister des Wassers, der Winde und aller Lüfte

und ihre Pfade von allen Windrichtungen.

23
Hier sind auch die Stimmen des Donners und das Licht der Blitze aufbewahrt,

und hier sind die Kammern des Hagels, des Reifes,
des Nebels, des Regens und des Taues.

24
All das bekennt seinen Glauben

und dankt vor dem Herrn der Geister
und verherrlicht ihn mit all seiner Kraft.
Seine Speise besteht aus lauter Dank;
sie danken, loben
und erheben den Namen des Herrn der Geister von Ewigkeit zu Ewigkeit.

25
Dieser Schwur ist mächtig über sie;

sie und ihre Pfade werden durch ihn bewahrt
und ihr Lauf wird nicht verderbt. –

26
Große Freude herrschte unter ihnen

und sie segneten, lobten, priesen und jubelten,
weil ihnen der Name jenes Menschensohnes geoffenbart ward.

27
Er setzte sich auf den Thron seiner Herrlichkeit;

da ward ihm, dem Menschensohn, der Gerichtsauszug übergeben
und er ließ die Sünder und die Verführer der Welt von der Erde verschwinden
und untergehen.

28
Mit Ketten werden sie gefesselt

und an dem Sammelort ihrer Vernichtung eingeschlossen;
alle ihre Werke verschwinden von der Erde.

29
Von jetzt ab gibt es nichts mehr Verderbliches;

jener Menschensohn ist ja erschienen
und hat sich auf den Thron seiner Herrlichkeit gesetzt
und alles Böse verschwindet vor seinem Angesicht und vergeht.
Aber das Wort jenes Mannessohnes wird ausgehen
und vor dem Herrn der Geister mächtig sein.
Dies ist die dritte Bilderrede Henochs.

 

70. Kapitel: Henoch im Paradies
1
Danach wird sein Name bei Lebzeiten zu jenem Menschensohn

und zu dem Herrn der Geister, weg von den Erdbewohnern, erhöht.

2
Er wurde auf den Wegen des Geistes erhoben

und sein Name verschwand bei ihnen.

[402]
3
Von jenem Tag an ward ich nicht mehr zu ihnen gezählt

und er setzte mich zwischen zwei Himmelsgegenden nieder,
zwischen Norden und Westen,
wo die Engel die Schnüre nahmen,
um für mich den Platz für die Auserwählten und Gerechten abzumessen.

4
Dort sah ich die Erzväter

und die Gerechten, die seit Urzeiten dort wohnen.

 

71. Kapitel: Henoch als Menschensohn
1
Danach ward mein Geist entrückt

und stieg in den Himmel auf.
Ich sah die Söhne der heiligen Engel auf Feuerflammen treten;
ihre Kleider waren weiß, ebenso ihr Gewand,
und ihr Antlitz leuchtete wie Schnee.

2
Ich sah zwei Feuerströme

und das Licht des Feuers glänzte wie ein Hyazinth.
Da fiel ich auf mein Antlitz vor dem Herrn der Geister.

3
Da ergriff mich der Engel Michael, einer der Erzengel, bei der Rechten,

richtete mich auf
und führte mich zu all den Geheimnissen
und zeigte mir all die richtigen Geheimnisse.

4
Er zeigte mir alle Geheimnisse der Enden des Himmels

und aller Sterne und Leuchten Kammern insgesamt,
von wo sie vor den Heiligen gelangen.

5
Und er entrückte meinen Geist in den Himmel der Himmel

und ich sah dort einen Bau aus Kristall
und zwischen den Kristallen Zungen lebendigen Feuers.

6
Mein Geist sah den Gürtel, der das feurige Haus umgab,

und an seinen vier Seiten waren Ströme voll lebendigen Feuers
und sie umflossen jenes Haus.

7
Ringsum waren Seraphin, Kerubin und Ophannin;

dies sind die nie Schlafenden,
die den Thron seiner Glorie bewachen.

8
Ich sah, wie unzählige Engel jenes Haus umgaben,

tausendmal Tausende und zehntausendmal Zehntausende;
Michael, Gabriel, Raphael und Phanuel
und die heiligen Engel, die oben in den Himmeln sind,
gehen in jenem Hause ein und aus.

9
Da traten aus jenem Haus

Michael, Gabriel, Raphael und Phanuel
mit vielen heiligen Engeln ohne Zahl.

10
Bei ihnen war der Betagte;

sein Haupt war weiß und rein wie Wolle
und sein Gewand unbeschreibbar.

11
Da fiel ich auf mein Angesicht;

mein ganzer Körper war aufgelöst
und mein Geist verwandelt.

[403]

Ich schrie mit lauter Stimme, mit des Geistes Kraft,
segnete, pries und lobte.

12
Diese Lobpreisungen, die aus meinem Munde kamen,

gefielen dem Betagten.

13
Da kam der Betagte mit Michael, Gabriel, Phanuel

und tausendmal Tausenden und Zehntausenden Engel ohne Zahl. –

14
Er kam zu mir,

grüßte mich mit Seiner Stimme
und sprach zu mir:
Das ist der Menschensohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird;
Gerechtigkeit wohnt über ihm
und die Gerechtigkeit der Betagten verläßt ihn nicht.

15
Dann sagte er zu mir:

Er begrüßt dich im Namen der zukünftigen Welt;
denn von dort geht seit Erschaffung der Welt Frieden aus,
und also geschieht dir bis in Ewigkeit.

16
Alle, die auf seinen Wegen wandeln, –

denn Gerechtigkeit verläßt ihn nicht mehr –
haben bei ihm ihre Wohnstätte und ihr Erbteil
und sie trennen sich bis in alle Ewigkeit nicht mehr von ihm.

17
Und so wird langes Leben bei jenem Menschensohn zu finden sein

und die Gerechten genießen dann Frieden
und wandeln den geraden Weg im Namen des Herrn der Geister für immer.

 

Der dritte Teil 72–82 Das astronomische Buch
72. Kapitel: Die Sonne
1
Das Buch vom Umlauf der Himmelslichter,

die Beziehungen der einzelnen nach ihren Klassen,
ihrer Herrschaft und Zeiten,
nach ihren Namen, Aufgangsörtern und Monaten,
die mir ihr Führer und mein Begleiter zeigte, der heilige Engel Uriel.
Er zeigte mir auch,
wie es sich mit all ihren Gesetzen
und allen Weltjahren für immer verhält,
bis die neue, ewig dauernde Schöpfung geschaffen wird.

2
Das ist das erste Gesetz der Leuchten:

Das Sonnenlicht geht in des Himmels Osttoren auf
und in den Westtoren des Himmels unter.

3
Ich sah sechs Tore, woraus die Sonne aufgeht,

und sechs, worin sie untergeht;
auch der Mond geht durch jene Tore auf und unter,
ebenso die Führer der Sterne samt den Geführten;
sechs im Osten und sechs im Westen
und alle folgen einander in genauer Ordnung;
rechts und links von jenen Toren gibt es viele Fenster.

4
Zuerst kommt die große Leuchte, die Sonne, hervor;
[404]

ihre Kugelgestalt gleicht der des Himmels;
sie ist ganz mit leuchtendem und wärmendem Feuer gefüllt.

5
Die Wagen, die sie besteigt, werden vom Wind getrieben.

Beim Untergang verschwindet die Sonne am Himmel
und kehrt durch den Norden zum Osten zurück
und sie ward dabei so geleitet,
daß sie zu jenem bestimmten Tore kommt
und dann an dem Himmel leuchtet.

6
In dieser Weise geht sie im ersten Monat in dem großen Tor auf;

dies ist das vierte der sechs Tore im Osten.

7
An jenem vierten Tor,

woraus die Sonne im ersten Monat aufgeht,
sind zwölf Fensteröffnungen,
woraus eine Feuerflamme hervorgeht,
wenn sie zu ihrer Zeit geöffnet werden.

8
Geht die Sonne am Himmel auf,

dann tritt sie durch das vierte Tor an dreißig Morgen heraus
und geht gerade gegenüber im vierten westlichen Himmelstor unter.

9
In jenen Tagen wird der Tag länger

und die Nacht kürzer bis zum dreißigsten Morgen.

10
An diesem Tag ist der Tag um zwei Teile länger, als die Nacht,

und der Tag umfaßt genau zehn Teile und die Nacht acht.

11
Die Sonne geht also aus jenem vierten Tor hervor

und geht im vierten unter;
dann kehrt sie in das fünfte Tor des Ostens dreißig Morgen lang zurück;
sie geht dann aus diesem hervor
und im fünften Tor auch unter.

12
Dann wird der Tag um zwei Teile länger,

beträgt also dann elf Teile;
die Nacht aber wird kürzer
und beträgt sieben Teile.

13
Dann kommt die Sonne bei ihrer Rückkehr nach Osten in das sechste Tor;

im sechsten Tor geht sie auf und unter,
einunddreißig Morgen lang, wegen seines Zeichens.

14
An jenem Tag wird der Tag länger als die Nacht

und der Tag beträgt das Doppelte der Nacht;
der Tag enthält dann zwölf Teile,
und die Nacht wird kürzer
und enthält sechs Teile.

15
Dann erhebt sich die Sonne,

damit der Tag kürzer und die Nacht länger werde;
wenn die Sonne nach Osten kehrt,
tritt sie in das sechste Tor
und geht darin dreißig Morgen auf und unter.

16
Sind dreißig Morgen abgelaufen,

dann nimmt der Tag genau um einen Teil ab;
der Tag beträgt dann elf Teile
und die Nacht sieben.

[405]
17
Die Sonne kommt dann im Westen

aus jenem sechsten Tor hervor,
geht nach Osten
und geht im fünften Tor dreißig Morgen lang auf
und im Westen im fünften westlichen Tor unter.

18
An jenem Tag nimmt der Tag um zwei Teile ab;

dann beträgt der Tag zehn Teile und die Nacht acht.

19
So kommt die Sonne aus dem fünften Tor hervor

und geht im fünften westlichen unter;
dann geht sie im vierten Tor
wegen seines Zeichens einunddreißig Morgen auf
und geht im Westen unter.

20
An jenem Tage gleicht der Tag der Nacht;

er ist gleich lang
und die Nacht enthält neun Teile, ebenso der Tag.

21
So kommt die Sonne aus jenem Tor

und geht im Westen unter;
dann zieht sie nach Osten
und kommt im dritten Tor dreißig Morgen hervor
und geht im dritten westlichen Tor unter.

22
An jenem Tag wird die Nacht länger als der Tag

und die Nacht länger als die gewöhnliche Nacht
und der Tag kürzer als der gewöhnliche Tag,
bis zum dreißigsten Morgen;
die Nacht enthält dann genau zehn Teile und der Tag acht.

23
So kommt die Sonne aus dem dritten Tor hervor,

geht im dritten westlichen unter
und kehrt nach Osten zurück;
dann geht die Sonne im zweiten östlichen Tor dreißig Morgen auf
und ebenso im zweiten westlichen Himmelstor unter.

24
An jenem Tag enthält die Nacht elf Teile und der Tag sieben.
25
Die Sonne geht an jenem Tag aus dem zweiten Tor auf

und im zweiten westlichen unter;
dann kehrt sie nach Osten ins erste Tor einunddreißig Morgen zurück
und geht im ersten westlichen Tor unter.

26
An jenem Tag wird die Nacht länger

und beträgt das Doppelte des Tages;
die Nacht enthält genau zwölf Teile und der Tag sechs.

27
Die Sonne hat dann ihre Hauptabschnitte zurückgelegt

und kehrt wieder auf diesen Hauptabschnitten um;
so kommt sie dreißig Morgen lang in jenes Tor
und geht auch im Westen ihm gerade gegenüber unter.

28
An jenem Tag wird die Nacht an Länge um einen Teil kürzer

und enthält elf Teile und der Tag sieben.

29
Die Sonne kommt dann auf ihrer Rückkehr in das zweite Osttor

und kehrt über diese Hauptabschnitte zurück,
indem sie dreißig Morgen auf- und untergeht.

[406]
30
An jenem Tag wird die Nacht an Länge kürzer;

die Nacht enthält zehn Teile und der Tag acht.

31
An jenem Tag geht die Sonne aus dem zweiten Tor auf

und im Westen unter;
dann kehrt sie nach Osten zurück
und geht im dritten Tor einunddreißig Morgen auf
und geht im Westen des Himmels unter.

32
An jenem Tag nimmt die Nacht ab

und enthält neun Teile, ebenso der Tag
und die Nacht gleicht dem Tag;
so beträgt das Jahr genau 364 Tage.

33
Des Tages und der Nacht Länge und die Kürze des Tages und der Nacht

werden in ihrem Unterschied durch den Umlauf der Sonne bewirkt.

34
Deshalb wird ihr täglicher Umlauf jede Nacht kürzer.
35
Dies ist das Gesetz und der Umlauf der Sonne und ihre Rückkehr;

sechzigmal kehrt sie zurück und geht wieder auf,
nämlich die große Leuchte, die Sonne heißt, für alle Zeiten.

36
Dies, was so aufgeht, ist die große Leuchte,

die wegen ihrer Erscheinung nach des Herrn Befehl so heißt.

37
Wie sie aufgeht, so geht sie unter;

sie nimmt nicht ab, noch ruht sie,
sondern läuft Tag und Nacht,
und ihr Licht ist siebenmal heller als das Mondlicht;
an Größe aber sind sie beide gleich.

 

73. Kapitel: Der Mond
1
Nach diesem Gesetz sah ich ein anderes,

das die kleine Leuchte, den Mond, angeht.

2
Sein Kreisumfang gleicht dem des Himmels;

sein Wagen, worin er fährt, wird vom Wind getrieben
und Licht wird ihm nach Maß verliehen.

3
In jedem Monat ändert sich sein Auf- und Untergang;

seine Tage gleichen den Sonnentagen
und wenn sein Licht gleichmäßig ist,
dann beträgt es den siebten Teil des Sonnenlichtes.

4
Und so geht er auf:

Seine erste Phase im Osten tritt am dreißigsten Morgen ein;
an diesem Tag wird er sichtbar
und so entsteht für euch die erste Mondphase am dreißigsten Tag
zusammen mit der Sonne in dem Tor, wo die Sonne aufgeht.

5
Seine eine Hälfte ragt ein Siebtel hervor

und seine ganze übrige Scheibe ist leer und lichtlos,
ausgenommen ein Siebtel und ein Vierzehntel der Hälfte seines Lichtes.

6
Nimmt er ein Siebtel der Hälfte seines Lichtes an,

dann beträgt sein Licht ein Siebtel und die Hälfte davon.

7
Er geht mit der Sonne unter

und geht die Sonne auf, dann geht auch der Mond mit ihr auf

[407]

und empfängt die Hälfte eines Teils des Lichtes,
und in jener Nacht, am Anfang seines Morgens, an seinem Tagesbeginn
geht der Mond mit der Sonne unter
und ist in jener Nacht
mit den vierzehn Teilen und der Hälfte eines davon unsichtbar.

8
Er leuchtet an jenen Tagen mit einem Siebtel,

geht auf, weicht vom Sonnenaufgang ab
und läßt an seinen übrigen Tagen die dreizehn Teile leuchten.

 

74. Kapitel
1
Ich sah dann einen andern Lauf und das Gesetz hiefür,

wonach er seinen monatlichen Umlauf vollzieht.

2
Der heilige Engel Uriel, ihrer aller Führer, zeigte mir alles

und ich schrieb ihre Stellungen auf, wie er sie mir zeigte;
ich schrieb auch ihre Monate auf, wie sie waren,
und die Erscheinung ihres Lichtes, bis fünfzehn Tage vorüber sind.

3
In einzelnen Siebteln nimmt er zu,

bis sein Licht im Osten voll ist,
und in einzelnen Siebteln nimmt er ab,
bis er im Westen ganz unsichtbar ist.

4
In bestimmten Monaten ändert er den Untergang

und in bestimmten Monaten läuft er seine besondere Bahn.

5
In zwei Monaten geht der Mond mit der Sonne

in den zwei mittleren Toren, im dritten, vierten, unter.

6
Er geht sieben Tage auf, kehrt um

und kehrt durch das Tor wieder zurück,
durch das die Sonne aufgeht;
er macht dann sein Licht voll;
gemach weicht er von der Sonne
und kommt in acht Tagen an das sechste Tor, woraus die Sonne aufgeht.

7
Wenn die Sonne aus dem vierten Tor aufgeht,

dann geht er sieben Tage auf,
bis er aus dem fünften aufgeht;
dann kehrt er wieder in sieben Tagen ins vierte Tor zurück,
macht sein ganzes Licht voll,
geht dann zurück und kommt ins erste Tor in acht Tagen.

8
Er kehrt in sieben Tagen wieder ins vierte Tor,

woraus die Sonne aufgeht, zurück.

9
So sah ich ihre Stellungen,

wie in diesen Tagen der Mond aufgeht und die Sonne unterging.

10
In jenen Tagen hat die Sonne einen Überschuß von dreißig Tagen

wenn man fünf Jahre hinzugibt.
Sämtliche Tage,
die einem der fünf vollen Tage hinzuwachsen,
betragen 364.

11
Der Überschuß der Sonne und der Sterne beträgt sechs Tage;

bei fünf Jahren, sechs Tage auf jedes Jahr,

[408]

beträgt er dreißig Tage;
der Mond bleibt hinter der Sonne und den Sternen
um dreißig Tage zurück.

12
Die Sonne und die Sterne sind in allen Jahren so genau,

daß sie an keinem Tag in ihrer Stellung voraneilen oder zurückbleiben;
vielmehr alle zeigen sie den Jahreswechsel genau in 364 Tagen.

13
In drei Jahren sind es 1092 Tage, in fünf Jahren 1820 Tage

und in acht Jahren 2912 Tage.

14
Auf den Mond kommen für drei Jahre 1062 Tage

und in fünf Jahren bleibt er um fünfzig Tage zurück,
d. h. zu der Summe von 1770 sind 1000 und 62 Tage hinzuzählen.

15
In fünf Jahren sind es 1770 Tage,

so daß die Tage von acht Mondjahren 2832 Tage betragen.

16
Denn in acht Jahren bleibt er um achtzig Tage zurück;

alle Tage, die er in acht Jahren zurückbleibt, sind achtzig.

17
Das Jahr wird richtig vollendet gemäß den Weltstationen,

sowie den Stationen der Sonne,
indem sie aus den Toren gehen,
durch die die Sonne dreißig Tage auf- und untergeht.

 

75. Kapitel: Schalttage, Sterne und Mond
1
Die Führer der Chiliarchen,

die über die ganze Schöpfung und alle Sterne gesetzt sind,
haben auch mit den vier Schalttagen zu tun;
diese sind unzertrennlich mit ihrer Aufgabe hinsichtlich der Jahresberechnung verbunden;
sie verrichten den Dienst an den vier Tagen,
die in der Jahresberechnung mitgezählt werden.

2
Ihretwegen irren die Menschen darin;

denn jene Leuchten verrichten richtig ihren Dienst an den Weltstationen,
eines im ersten Tor, eines im dritten,
eines im vierten und eines im sechsten,
und die Genauigkeit des Jahres wird je durch die 364 Weltstationen erzielt.

3
Denn die Zeichen und Zeiten, Jahre und Tage zeigte mir der Engel Uriel;

ihn hatte der Herr der Herrlichkeit auf ewig
über alle Leuchten des Himmels, am Himmel und in der Welt gesetzt,
damit sie am Himmel herrschen,
auf Erden gesehen werden
und für den Tag und die Nacht Führer seien,
die Sonne, Mond und Sterne
und alle andern dienstbaren Geschöpfe,
die in allen möglichen Himmelswagen ihre Umfahrt machen.

4
Ebenso zeigte mir Uriel zwölf Toröffnungen

im Umkreis der himmlischen Sonnenwagen,
woraus die Sonnenstrahlen kommen;
von ihnen geht die Wärme über die Erde aus,
wenn sie zu festgesetzten Zeiten geöffnet werden.

5
Auch für die Winde und den Geist des Taues,
[409]

wenn sie geöffnet werden
und an des Himmels Enden offenstehen.

6
Am Himmel, an der Erde Enden, sah ich zwölf Tore,

woraus Sonne, Mond und Sterne und alle andern Himmelswerke
in Ost und West hervorgehen.

7
Links und rechts davon gibt es viele Fensteröffnungen

und ein Fenster erzeugt zu seiner Zeit Wärme,
entsprechend den Toren, woraus die Sterne kommen,
wie Er sie’s geheißen hat,
und worin sie nach ihrer Zahl untergehen.

8
Ich sah am Himmel Wagen in der Welt laufen

oberhalb jener Tore,
worin sich die nie untergehenden Sterne fortbewegen.

9
Und einer ist größer als alle anderen,

und er umkreist die ganze Welt.

 

76. Kapitel: Die Windrose
1
An den Erdenenden sah ich zwölf Tore nach allen Richtungen hin geöffnet;

aus ihm kommen die Winde
und wehen über die Erde hin.

2
Drei davon sind an des Himmels Vorderseite geöffnet,

drei im Westen,
drei auf des Himmels rechter Seite
und drei auf der linken.

3
Die drei ersten liegen gegen Osten;

drei gegen Norden,
drei danach zur Linken nach Süden
und drei im Westen.

4
Durch vier davon kommen Winde des Segens und der Wohlfahrt

und aus den andern acht schädliche Winde;
wenn sie gesandt werden,
dann richten sie auf der ganzen Erde Verheerungen an,
ebenso im Wasser darauf
und bei allen Erdbewohnern,
ja bei allen Dingen, die im Wasser und auf dem Festland sind.

5
Der erste Wind aus diesen Toren heißt der Ostwind;

er kommt durch das erste östliche, nach Süden weisende Tor;
aus ihm kommt Verheerung, Trockenheit, Hitze und Verderben.

6
Durch das zweite mittlere Tor kommt ein günstiger Wind;

von ihm kommt Regen und Fruchtbarkeit,
Wohlbehagen und Tau.
Durch das dritte nördliche Tor kommt Kälte und Trockenheit.

7
Hernach kommen durch drei Tore die Südwinde;

zuerst kommt durch ihr erstes, nach Osten gelegenes Tor ein heißer Wind.

8
Durch das benachbarte mittlere Tor

kommen Wohlgerüche, Tau,
Regen, Wohlbefinden und Gesundheit.

[410]
9
Durch das dritte, nach Westen gelegene Tor

kommen Tau, Regen,
Heuschrecken und Verderben.

10
Hernach kommen die Nordwinde;

aus dem siebten, nach Osten gelegenen Tor
kommen Tau, Regen,
Heuschrecken und Verderben.

11
Aus dem gerade in der Mitte gelegenen Tor

kommen Regen, Tau,
Gesundheit und Wohlbefinden.
Durch das dritte, nach Westen gelegene Tor
kommen Nebel, Reif,
Schnee, Tau und Heuschrecken.

12
Hernach kommen die Westwinde;

durch das erste, nach Norden gelegene Tor
kommen Tau, Regen,
Reif, Kälte, Schnee und Frost.

13
Aus dem mittleren Tor

kommen Tau, Regen, Wohlbefinden und Segen;
durch das letzte, nach Süden gelegene Tor
kommen Trockenheit, Verheerung, Brand und Verderben.

14
Das sind die zwölf Tore der vier Himmelsgegenden;

alle ihre Gesetze, Plagen und Wohltaten
habe ich dir nun, mein Sohn Metusala, gezeigt.

 

77. Kapitel: Die vier Himmelsgegenden
1
Die erste Himmelsgegend heißt der Osten;

denn sie ist die vorderste.
Die zweite ist der Süden,
weil dort der Höchste herabsteigen wird,
weil ja dort ganz besonders der ewig Gepriesene herabsteigt.

2
Der Westen heißt Abnahme,

weil dort alle Himmelslichter abnehmen und untergehen.

3
Die vierte Gegend heißt Norden;

sie teilt sich in drei Teile.
Der erste davon dient den Menschen als Wohnort;
der zweite enthält die Wassermeere,
die Täler, Wälder, Flüsse, Finsternis und Nebel;
der dritte enthält den Garten der Gerechtigkeit.

4
Ich sah sieben hohe Berge,

höher als alle andern auf Erden;
von dort kommt der Reif.
Tage, Zeiten und Jahre schwinden.

5
Ich sah sieben Flüsse,

größer als andern auf Erden;
der eine davon ergießt von Westen her seine Wasser in das große Meer.

[411]
6
Zwei davon kommen von Norden zum Meer

und ergießen ihr Wasser in das Erythräische Meer im Osten.

7
Die übrigen vier kommen auf der Nordseite in ihr eigenes Meer,

zwei davon ins Erythräische Meer
und zwei in das große Meer;
man sagt auch: in die Wüste.

8
Ich sah sieben große Inseln im Meer und auf dem Festland;

zwei auf dem Festland und fünf im großen Meer.

 

78. Kapitel: Mondphasen
1
Die Namen der Sonne sind folgende:

der erste ist Orjares
und der zweite Tomas.

2
Der Mond hat vier Namen:

sein erster ist Asonja,
der zweit Ebla,
der dritte Benase
und der vierte Erae.

3
Dies sind die zwei großen Leuchten;

ihr Umfang gleicht dem des Himmels
und beider Größe ist gleich.

4
Im Sonnenumkreis gibt es sieben Lichtteile;

sie übertreffen das Mondlicht
und zwar beträgt es, nach genauem Maße nur ein Siebtel des Sonnenlichts.

5
Beim Untergehen kommen sie in die Tore des Westens,

machen ihren Umgang durch den Norden
und kommen durch die Osttore am Himmel wieder hervor.

6
Wenn der Mond aufsteigt,

dann erscheint er am Himmel mit einem Vierzehntel seines Lichtes;
in vierzehn Tagen wird er dann zum Vollmond.

7
Auch fünfzehn Teile werden ihm zuerkannt,

so daß sein Licht bis zum fünfzehnten Tag voll ist,
je nach dem Zeichen des Jahres.
So bekommt er fünfzehn Teile,
indem der Mond durch ein weiteres Vierzehntel voll wird.

8
Bei seiner Abnahme nimmt er am ersten Tag um den vierzehnten Teil seines Lichtes ab,

am zweiten um den dreizehnten,
am dritten um den zwölften,
am vierten um den elften,
am fünften um den zehnten,
am sechsten um den neunten,
am siebten um den achten,
am achten um den siebten,
am neunten um den sechsten
am zehnten um den fünften,
am elften um den vierten,
am zwölften um den dritten,

[412]

am dreizehnten um den zweiten,
am vierzehnten um ein Vierzehntel all seines Lichtes
und am fünfzehnten verschwindet all sein übriges Licht.

9
In gewissen Monaten hat der Mond 29 Tage

und einmal 28 Tage.

10
Dann zeigte mir Uriel ein anderes Gesetz darüber,

wenn dem Mond Licht zuströmt
und auf welcher Seite ihm von der Sonne her Licht zukommt.

11
Während der ganzen Zeit,

wo der Mond in seinem Lichte wächst,
nimmt er zu,
wenn er der Sonne während vierzehn Tagen gegenübersteht,
bis sein Licht am Himmel voll geworden ist.

12
Am ersten Tag heißt er Neumond;

denn an diesem Tag leuchtet das Licht an ihm auf.

13
Er wird Vollmond genau an dem Tag,

wo die Sonne im Westen untergeht;
er geht von Osten bei Nacht auf
und leuchtet die ganze Nacht,
bis die Sonne ihm gegenüber aufgeht
und er der Sonne gegenüber gesehen wird.

14
Wo das Mondlicht hervorkommt,

dort nimmt es auch ab,
bis sein ganzes Licht verschwindet,
alle Tage des Monats zu Ende gehen und seine Scheibe leer und lichtlos wird.

15
Drei Monate hat der Mond dreißig Tage

und zur gegebenen Zeit
hat er drei Monate von neunundzwanzig Tagen,
worin er in der ersten Zeitperiode seine Abnahme ausführt,
und zwar im ersten Tor 177 Tage.

16
Zur Zeit seines Ausgangs

scheint er drei Monate zu je 30 Tagen
und drei Monate zu je 29 Tagen.

17
Nachts erscheint er je 20 Tage wie ein Mann;

bei Tag gleicht er dem Himmel;
denn etwas anderes als sein Licht ist nicht in ihm.

 

79.Kapitel
1
Und nun, mein Sohn Metusala,

habe ich dir alles gezeigt
und das Gesetz der Himmelssterne ist zu Ende beschrieben.

2
Er hatte mir all ihre Gesetze für jeden Tag, für jede Herrschaftszeit,

für jedes Jahr und seinen Ausgang
und die für jeden Monat und jede Woche vorgeschriebene Ordnung gezeigt,

3
ferner die Mondabnahme, die im sechsten Tor stattfindet;

denn in diesem sechsten Tor ist sein Licht voll
und danach ist der Anfang des Abnehmens.

[413]
4
Das Abnehmen, das zu seiner Zeit im ersten Tor beginnt,

dauert 177 Tage, 25 nach Wochen gerechnet und zwei Tage.

5
Er bleibt hinter der Sonne und der Sternordnung

genau fünf Tage in einer Periode zurück,
wenn dieser Ort, den du siehst, durchmessen ist.

6
So ist das Bild und das Abbild eines jeden Lichtkörpers,

wie mir ihr Führer, der Erzengel Uriel, zeigte.

 

80. Kapitel: Der Einfluß auf die Natur
1
In jenen Tagen sprach der Engel Uriel zu mir:

Ich habe dir alles, Henoch, gezeigt
und dir alles enthüllt,
damit du diese Sonne und diesen Mond sehen möchtest,
ebenso die Führer der Himmelssterne und alle, die sie drehen,
ihre Beschäftigung, ihre Zeiten und Ausgänge.

2
In den Tagen der Sünde werden die Jahre verkürzt werden;

ihre Saat verzögert sich in ihren Ländern und auf ihren Feldern;
alle Dinge ändern sich auf Erden
und erscheinen nicht mehr zur rechten Zeit;
der Regen bleibt aus und der Himmel hält fest.

3
In jenen Zeiten verzögern sich der Erde Früchte

und wachsen nicht zu ihrer Zeit;
auch die Baumfrüchte werden zu ihrer Zeit zurückgehalten.

4
Der Mond ändert seine Ordnung

und erscheint zu seiner Zeit nicht.

5
In jenen Tagen sieht man die Sonne am Abend

in den letzten großen Wagen nach Westen ziehen,
und sie leuchtet dann stärker als gewöhnlich.

6
Viele Gestirnfürsten überschreiten dann die Ordnung,

ändern ihre Bahnen und Beschäftigungen
und erscheinen nicht mehr zur vorgeschriebenen Zeit.

7
Die ganze Gestirnordnung wird von den Sündern verschlossen

und die Gedanken der Erdbewohner gehen ihretwegen irre; –
sie werden von all ihren Wegen abtrünnig; –
ja sie irren und halten sie für Götter.

8
Das Unheil nimmt über ihnen zu

und Plagen kommen über sie
und vernichten alle.

 

81. Kapitel: Schluß der Henochsreisen
1
Er sprach zu mir:

Betrachte, Henoch, diese himmlischen Tafeln!
Lies, was darauf geschrieben steht,
und merke alles einzelne!

2
Da betrachtete ich die himmlischen Tafeln,

das, was darauf geschrieben stand,

[414]

merkte mir alles
und las das Buch über alle Werke der Menschen
und aller Fleischeskinder,
die auf Erden bis zum letzten Geschlechte sein werden.

3
Sogleich pries ich den großen Herrn,

den ewigen König der Herrlichkeit,
dafür, daß er alle Werke der Welt gemacht.
Ich rühmte auch den Herrn wegen seiner Langmut
und pries ihn wegen der Menschenkinder.

4
Danach sprach ich:

Selig ist der Mann, der gerecht und gut stirbt
und über den kein Buch der Ungerechtigkeit geschrieben ist
und gegen den kein Gerichtstag angesetzt wird.

5
Da holten mich jene sieben Heiligen

und setzten mich auf Erden vor meiner Haustüre nieder, mit den Worten:
Verkünde alles deinem Sohne Metusala
und zeig all deinen Kindern,
daß vor dem Herrn kein Fleisch gerecht ist;
denn Er ist ihr Schöpfer!

6
Wir lassen dich noch ein Jahr bei deinen Kindern,

bis du deine letzten Befehle gegeben hast;
diese mußt du deine Kinder lehren, sie ihnen aufschreiben
und all deinen Kindern bezeugen;
im zweiten Jahr nimmt man dich aus ihrer Mitte fort.

7
Dein Herz sei stark!

Denn die Guten verkünden dann Gerechtigkeit den Guten;
der Gerechte freut sich mit dem Gerechten,
und sie beglückwünschen einander.

8
Die Sünder aber stehen mit den Sündern

und die Abtrünnigen versinken mit den Abtrünnigen.

9
Die Gerechtigkeit üben, sterben dann wegen der Werke der Menschen

und werden wegen der Gottlosen Taten hinweggenommen.

10
In jenen Tagen beendeten sie ihre Reden mit mir

und ich kam zu meinem Volk und pries den Herrn der Welt.

 

82. Kapitel: Ende des astronomischen Buches
1
Und nun, mein Sohn Metusala!

Ich erzähle dir all das
und schreibe es für dich auf;
ich enthüllte dir alles
und übergab dir die Bücher mit all diesen Dingen.
Mein Sohn Metusala!
Bewahr die Bücher von deines Vaters Hand
und übergib sie den Geschlechtern der Welt!

2
Ich verlieh Weisheit dir und deinem Sohn

sowie deinen andern Söhnen,
damit sie diese ihren Kindern für immer überliefern,
diese Weisheit, die ihre Gedanken übersteigt.

[415]
3
Aber die sie verstehen,

werden nicht schlafen,
sondern mit dem Ohre horchen,
um diese Weisheit zu erlernen,
und sie wird denen, die davon genießen, besser munden,
als gute Speisen.

4
Selig sind alle Gerechten,

selig alle, die auf der Gerechtigkeit Pfad wandeln
und nicht sündigen,
gleich den Sündern in aller ihrer Tage Zahl,
wo die Sonne am Himmel wandelt,
indem sie durch die Tore ein- und ausgeht
während dreißig Tage mit den Chiliarchen der Gestirnordnung,
zusammen mit den vier, die eingeschaltet werden
und die vier Jahreszeiten teilen;
diese führen sie ja an
und treten mit ihnen vier Tage lang ein.

5
Ihretwegen irren die Menschen

und rechnen sie nicht in die ganze Jahresberechnung ein;
ja, die Menschen irren ihretwegen
und kennen sie nicht genau.

6
Sie gehören ja zur Jahresberechnung

und sind für immer getreu aufgezeichnet,
einer im ersten Tor, einer im dritten, einer im vierten und einer im sechsten;
so vollendet sich das Jahr in 364 Tagen.

7
Der Bericht hierüber ist getreu

und die aufgestellte Rechnung genau,
denn Uriel zeigte und enthüllte mir
die Leuchten, Monate, Feste, Jahre und Tage,
ihm gab ja der Herr der ganzen Weltschöpfung
meinethalben Macht über das Himmelsheer.

8
Er übt die Herrschaft über die Nacht und den Tag am Himmel aus,

um über die Menschen Licht leuchten zu lassen,
Sonne, Mond und Sterne
sowie alle anderen Himmelsmächte, die sich in ihren Kreisen drehen.

9
Dies sind die Ordnungen der Sterne,

die an ihren Orten, zu ihren Zeiten, Festen und Monaten untergehen.

10
Dies sind die Namen ihrer Führer, die darüber wachen,

daß sie zu ihren Zeiten eintreten
in ihren Ordnungen, Zeiten, Monaten, Herrschaftsperioden und Stationen.

11
Ihre vier Führer, die die vier Jahresteile teilen, treten zuerst ein;

dann kommen die zwölf Führer, die die Monate einteilen,
und für die 360 Tage sind es die Chiliarchen, die die Tage einteilen,
und für die vier Schalttage sind es die Führer,
die die vier Jahresteile zerteilen.

12
Diese Chiliarchen sind zwischen Führer und Führer eingeschaltet,

jeder hinter einer Station;
aber ihre Führer vollziehen die Scheidung.

[416]
13
Dies sind die Namen der Führer, die das Jahr in vier Teile teilen:

Milkiel, Helemmelek, Melejal und Narel.

14
Die Namen derer, die sie führen, sind:

Adnarel, Ijasusael und Elomeel;
diese drei folgen den Taxiarchen
und einer folgt den drei Taxiarchen,
und diese folgen den Toparchen,
die die vier Jahresteile teilen.

15
Beim Jahresanfang geht Melkejal zuerst auf und regiert;

er heißt auch Tamaani und Sonne;
der Tage seiner Herrschaft, die er führt, sind es insgesamt 91.

16
Und dies sind der Tage Zeichen,

die sich während seiner Herrschaft auf Erden zeigen müssen:
Schweiß, Hitze und Angst.
Alle Bäume tragen Früchte
und Blätter zeigen sich an allen Bäumen;
es kommt die Weizenernte und die Rosenblüte.
Alle Blumen blühen auf dem Felde;
die Winterbäume dagegen welken.

17
Dies sind die Namen der unter ihnen stehenden Führer:

Berkael, Zelebseel
und ein anderer, der den Chiliarchen beigefügt wurde, heißt Hilujaseph;
damit sind die Herrschaftstage dieser Führer zu Ende.

18
Der andere Führer nach ihnen ist Helemmelek,

der auch die glänzende Sonne hieß
und der Tage seines Leuchtens sind es insgesamt 91 Tage.

19
Dies sind seiner Tage Zeichen auf Erden:

Gluthitze und Trockenheit.
Die Bäume lassen ihre Früchte reifen
und werfen all ihre Früchte reif und schnell ab;
die Schafe paaren sich und werden trächtig;
alle Früchte der Erde werden eingeheimst,
ebenso alles, was auf den Feldern wächst;
auch der Wein wird gekeltert.
Solches geschieht in den Tagen seiner Herrschaft.

20
Dies sind die Namen, die Ordnungen

und die Führer der Chiliarchen:
Gidaijal, Keel und Heel
und der Name des ihnen beigegebenen Chiliarchen ist Asphael.
Damit gehen die Tage seiner Herrschaft zu Ende.

 

Der vierte Teil 83–90 Das Geschichtsbuch
83. Kapitel: Erstes Traumgesicht
1
Mein Sohn Metusala!

Ich will dir jetzt alle meine Visionen zeigen, die ich geschaut:
ich erzähle sie vor dir.

2
Ich schaute zwei Gesichte, bevor ich ein Weib nahm.
[417]

das eine davon war dem andern unähnlich.
Zum ersten Mal, als ich das Schreiben lernte,
und zum andern, bevor ich deine Mutter nahm,
sah ich je ein schreckliches Gesicht.
Ihretwegen flehte ich zum Herrn.

3
Ich hatte mich im Hause meines Großvaters Mahalalel niedergelegt;

da sah ich im Gesicht,
wie der Himmel zusammenbrach, dahinschwand
und auf die Erde stürzte.

4
Und als er zur Erde niederfiel,

sah ich,
wie die Erde in einem großen Abgrund verschlungen ward,
Berge auf Berge fielen, Hügel auf Hügel stürzten,
wie hohe Bäume entwurzelt wurden, hinabwirbelten
und in der Tiefe versanken.

5
Darauf fiel ein Wort in meinen Mund

und ich erhob meine Stimme, indem ich schrie und rief:
„Die Erde ist vernichtet.“

6
Da weckte mich mein Großvater,

bei dem ich lag, und sagte:
Mein Sohn!
Warum schreist du so?

7
Da erzählte ich ihm das ganze Gesicht, das ich geschaut,

und er sprach zu mir:
Mein Sohn!
Du hast etwas Schreckliches gesehen,
und dein Traumgesicht ist sehr wichtig
für die Geheimnisse aller Sünden auf Erden;
sie muß in den Abgrund sinken
und einen großen Untergang erleiden.

8
Und nun, mein Sohn, erheb dich!

Fleh zu dem Herrn der Herrlichkeit,
– du bist ja gläubig –
daß ein Rest auf Erden übrig bleibe
und Er nicht die ganze Erde vertilge!

9
Mein Sohn!

All das kommt vom Himmel über die Erde,
und auf Erden findet dann eine große Zerstörung statt.

10
Darauf erhob ich mich,

betete, flehte
und schrieb mein Gebet für die Erdengeschlechter nieder;
nun will ich dir, mein Sohn Metusala, alles zeigen.

11
Ich trat nun ins Freie;

da sah ich den Himmel, den Sonnenaufgang im Osten
und den Monduntergang im Westen
und einige Sterne sowie die ganze Erde
und alles, wie Er es von Anfang bestimmt hat.
Da pries ich den Herrn des Gerichts und erhob ihn,

[418]

weil er die Sonne aus des Ostens Fenstern aufgehen ließ,
so daß sie an des Himmels Außenseite aufsteigt,
aufgeht und untergeht
und den ihr gewiesenen Pfad wieder zurücklegt.

 

84. Kapitel
1
Da erhob ich meine Hände in Gerechtigkeit

und pries den Heiligen und Mächtigen;
ich redete mit meines Mundes Odem
und mit der Fleischeszunge,
die Gott den Kindern des menschlichen Fleisches gemacht hat,
auf daß sie damit redeten.
Ja, er gab ihnen den Odem, die Zunge und den Mund,
daß sie damit redeten.

2
Gepriesen bist du, König, Herr,

in deiner Größe groß und mächtig,
der ganzen Himmelsschöpfung Herrscher,
der Könige König, Gott der ganzen Welt!
In alle Ewigkeit bleibt deine Macht
und Königsherrschaft samt der Größe,
durch alle die Geschlechter deine Herrschaft.
Dein Thron sind ewig alle Himmel;
die ganze Erde ist der Schemel deiner Füße immerdar.

3
Du hast ja alles geschaffen,

und du regierst es;
denn dir ist nichts zu schwer.
Von deinem Thron weicht niemals Weisheit;
noch wendet sie sich weg von deinem Angesicht.
Du weißt und siehst und hörst ja alles.
Vor dir ist nichts verborgen;
du siehst ja alles.

4
Nun sind die Engel deiner Himmel einer Sünde schuldig,

und auf dem Menschenfleisch ruht dein Zorn
bis zu dem Tag des großen Gerichtes.

5
Nun, Gott, Herr, großer König, flehe ich und bitte,

daß du mir meine Bitte erfüllest.
Laß mir auf Erden Nachkommen noch übrig!
Vertilg nicht alles Fleisch der Menschen!
Mach nicht die Erde menschenleer,
daß eine ewige Vernichtung würde!

6
Und nun, mein Herr!

Vertilge von der Erde nur das Fleisch, das dich erzürnt!
Jedoch das Fleisch der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit richt auf
als eine ewige Samenpflanze!
Vor deines Knechtes Bitte, Herr,
verbirg doch nicht dein Angesicht!

 

[419]
85. Kapitel: Zweites Traumgesicht. Von Adam bis zum Messias
1
Dann sah ich einen andern Traum.

Mein Sohn!
Ich will dir den ganzen Traum erklären.

2
Da begann Henoch und sprach zu seinem Sohn Metusala:

Mein Sohn! Ich spreche zu dir:
Hör meine Rede an
und neig dein Ohr zu deines Vaters Traumgesicht!

3
Bevor ich deine Mutter Edna nahm,

hatte ich ein Gesicht auf meinem Lager:
Da kam ein Stier aus der Erde,
und dieser Stier war weiß;
nach ihm kam eine junge Kuh,
und neben dieser kamen zwei Stiere,
der eine schwarz, der andere rot.

4
Der schwarze Stier stieß den roten

und verfolgte ihn auf Erden,
und deshalb konnte ich den roten Stier nicht mehr sehen.

5
Jener schwarze Stier wuchs heran;

da kam eine junge Kuh zu ihm,
und ich sah, wie viele Farren aus ihm hervorgingen,
die ihm glichen und folgten.

6
Jene erste Kuh verließ nun den ersten Stier,

um den roten zu suchen;
als sie ihn nicht fand,
erhob sie ein großes Wehegeschrei
und suchte weiter.

7
Ich blickte hin, bis jener erste Stier zu ihr kam

und sie beschwichtigte,
und von jener Stunde an schrie sie nicht mehr.

8
Darauf gebar sie einen andern weißen Stier,

und nach ihm gebar sie noch viele schwarze Stiere und Kühe.

9
Ich sah nun in meinem Schlaf,

wie jener weiße Stier gleichfalls heranwuchs
und ein großer weißer Stier wurde.
Von ihm entsprangen viele weiße Stiere, die ihm glichen.

10
Sie begannen, viele weiße Stiere zu erzeugen;

diese glichen ihnen, einer dem andern folgend.

 

86. Kapitel
1
Und weiter sah ich mit meinen Augen,

während ich schlief;
da fiel ein Stern vom Himmel;
dann stand er auf,
fraß und weidete zwischen jenen Farren

[420]
2
Danach sah ich,

wie die großen und schwarzen Farren
alle ihre Ställe, Weideplätze und ihre Kühe wechselten
und miteinander zu leben begannen.

3
Dann sah ich weiter im Gesichte;

ich blickte zum Himmel auf
und sah viele Sterne herabfallen
und sich vom Himmel zu jenem ersten Stern herabsenken,
und sie wurden zu Stieren unter jenen Kühen
und weideten bei ihnen.

4
Als ich sie erblickte,

sah ich,
wie sie alle ihre geheimen Glieder wie die Rosse zeigten
und die Kühe der Farren zu decken begannen,
und diese wurden alle trächtig
und warfen Elefanten, Kamele und Esel.

5
Und alle Farren fürchteten sie

und erschraken vor ihnen;
denn diese begannen mit den Zähnen zu beißen, zu verschlingen
und mit den Hörnern zu stoßen.

6
Dann begannen sie, jene Farren aufzufressen;

da fingen alle Kinder der Erde an,
vor ihnen zu zittern, zu beben und zu fliehen.

 

87. Kapitel
1
Dann sah ich,

wie sie begannen, einander zu stoßen und zu verschlingen;
da begann die Erde zu schreien.

2
Da erhob ich abermals die Augen gen Himmel

und sah im Gesicht,
wie aus dem Himmel Wesen, die weißen Menschen glichen, hervorkamen;
einer davon kam aus jenem Ort hervor,
und drei waren bei ihm.

3
Diese drei, die zuletzt kamen, ergriffen mich an der Hand,

nahmen mich von dem Erdengeschlecht hinweg
und brachten mich an einen hohen Ort
und zeigten mir einen Turm hoch über der Erde,
und all die Hügel waren niedriger.

4
Sie sagten zu mir:

Bleib hier, bis du alles gesehen hast,
was über jene Elefanten, Kamele,
Esel, Sterne, Farren und über alle andern kommt!

 

88. Kapitel
1
Ich sah nun,

wie einer jener vier, die vorhin herauskamen,
jenen zuerst vom Himmel gefallenen Stern an Händen und Füßen fesselte

[421]

und in einen Abgrund warf;
jener Abgrund aber war eng und tief, schrecklich und finster.

2
Einer von ihnen zog sein Schwert

und gab es jenen Elefanten, Kamelen und Eseln;
da begannen sie einander zu schlagen,
und die ganze Erde zitterte ihrethalben.

3
Und ich sah weiter im Gesicht;

da warf einer jener vier Hervorgekommenen sie vom Himmel,
und man fing alle jene großen Sterne
und nahm sie fest,
sie, deren geheime Glieder denen der Rosse glichen;
man fesselte sie alle an Händen und Füßen
und warf sie in den Abgrund der Erde.

 

89. Kapitel
1
Einer jener vier ging zu dem weißen Stier

und lehrte ihn ein Geheimnis,
wobei der Stier zitterte.
Er war als Stier geboren worden,
wurde aber jetzt ein Mensch;
er zimmerte sich ein großes Schiff und wohnte darin;
auch drei Stiere wohnten mit ihm in dem Schiff,
und es wurde über ihnen zugedeckt.

2
Da erhob ich abermals meine Augen gen Himmel,

und ich sah ein großes Dach mit sieben Wasserrinnen daran,
und diese Rinnen ließen viel Wasser in einen Hof fließen.

3
Ich sah weiter hin;

da öffneten sich Quellen in jenem großen Hof,
und das Wasser begann zu steigen
und die Oberfläche zu bedecken;
dann sah ich,
wie der ganze Hof mit Wasser bedeckt ward.

4
Und das Wasser, die Finsternis

und der Nebel darüber nahmen zu.
Als ich die Höhe jenes Wassers betrachtete,
war das Wasser über jenen Hof gestiegen,
hatte ihn überströmt
und blieb dann auf der Erde stehen.

5
Und alles Vieh in jenem Hof war dicht zusammengedrängt,

bis ich sah,
wie es untersank und verschlungen ward
und so in jenem Wasser umkam.

6
Aber das Schiff schwamm auf dem Wasser,

während alle die Farren, Elefanten,
Kamele und Esel samt allem andern Vieh zu Boden sanken,
so daß ich sie nicht mehr sehen konnte.
Sie konnten sich nicht mehr herausarbeiten,

[422]

sondern gingen unter
und versanken in den Tiefen.

7
Und wieder sah ich im Gesicht,

bis jene Wasserrinnen von dem hohen Dach entfernt,
die Klüfte der Erde ausgeglichen wurden
und sich andere Abgründe öffneten.

8
Das Wasser begann nun in sie hineinzulaufen,

bis die Erde zum Vorschein kam.
Aber das Schiff saß auf der Erde auf;
dann wich die Finsternis zurück, und Licht erschien.

9
Da ging der weiße Stier, der ein Mann geworden, aus dem Schiff,

ebenso die drei Stiere bei ihm.
Und einer dieser drei war weiß wie jener Stier,
einer davon rot wie Blut und einer schwarz,
und der weiße verließ sie.

10
Und sie begannen,

wilde Tiere und Vögel hervorzubringen,
und so entstanden viele Arten:
Löwen, Tiger, Hunde, Wölfe,
Hyänen, Wildschweine, Füchse,
Kaninchen, Schweine, Falken, Geier,
Weihen, Adler und Raben;
darunter kam ein weißer Stier zur Welt.

11
Dann begannen sie einander zu beißen.

Aber jener weiße Stier, der unter ihnen zur Welt kam,
zeugte einen Wildesel
und dazu einen weißen Stier;
der Wildesel aber mehrte sich.

12
Aber jener Stier, der von ihm abstammte,

erzeugte ein schwarzes Wildschwein und ein weißes Schaf;
jenes Wildschwein erzeugte viele Schweine,
jenes Schaf aber zwölf Schafe.

13
Als jene Schafe herangewachsen waren,

übergaben sie eines von ihnen den Eseln
und diese Esel übergaben jenes Schaf den Wölfen,
und so wuchs jenes Schaf unter den Wölfen auf.

14
Da ließ der Herr die zwölf Schafe bei ihm wohnen

und bei ihm mitten unter den Wölfen weiden,
und sie mehrten sich und wurden zu vielen Schafherden.

15
Da begannen die Wölfe, sich vor ihnen zu fürchten,

und bedrückten sie, bis sie schließlich ihre Jungen umbrachten.
Und sie warfen ihre Jungen in einen wasserreichen Fluß;
da begannen jene Schafe wegen ihrer Jungen zu schreien
und bei ihrem Herrn zu klagen.

16
Da entfloh ein Schaf,

das von den Wölfen gerettet worden war,
und kam zu den Wildeseln,
und ich sah, wie die Schafe wehklagten, schrieen

[423]

und ihren Herrn aus allen Kräften baten,
bis jener Herr der Schafe auf der Schafe Geschrei aus hohem Gemach herabstieg,
zu ihnen kam und sie weidete.

17
Da rief er dem den Wölfen entronnenen Schaf

und sprach mit ihm wegen der Wölfe,
er solle sie ermahnen, die Schafe nicht anzurühren.

18
Da ging das Schaf auf des Herrn Befehl zu den Wölfen,

und ein anderes Schaf traf mit ihm zusammen
und ging mit ihm;
da traten beide in die Versammlung jener Wölfe,
sprachen mit ihnen und ermahnten sie,
die Schafe fortan nicht mehr anzurühren.

19
Darauf sah ich,

wie die Wölfe die Schafe noch mehr mit aller Gewalt unterdrückten,
und die Schafe schrieen auf.

20
Da kam zu jenen Schafen ihr Herr

und begann, jene Wölfe zu schlagen.
Da fingen die Wölfe an, zu wehklagen;
die Schafe aber beruhigten sich
und hörten sofort mit Schreien auf.

21
Ich sah, bis daß die Schafe von den Wölfen auszogen;

aber der Wölfe Augen waren geblendet,
und so machten sich jene Wölfe mit all ihrer Macht
zur Verfolgung der Schafe auf.

22
Und der Herr der Schafe zog als ihr Führer mit ihnen,

und all seine Schafe folgten ihm;
sein Antlitz aber war glänzend,
herrlich und schrecklich zum Ansehen.

23
Aber die Wölfe begannen, die Schafe zu verfolgen,

bis sie diese bei einem Wassersee trafen.

24
Da teilte sich der See,

und das Wasser stand auf dieser Seite
und auf der andern vor ihrem Angesicht;
da trat der Herr, der sie führte, zwischen sie und die Wölfe.

25
Und wie die Wölfe die Schafe nicht mehr sahen,

zogen sie in die Mitte des Sees,
und so verfolgten die Wölfe die Schafe,
und diese Wölfe liefen ihnen in den See nach.

26
Als sie aber den Herrn der Schafe erblickten,

machten sie kehrt und flohen vor seinem Angesicht.
Da zog sich jener See zusammen
und nahm seine natürliche Gestalt wieder an;
das Wasser schwoll und stieg,
bis es jene Wölfe bedeckte.

27
Ich sah hin,

bis alle Wölfe, die jene Schafe verfolgten,
untergingen und versanken.

28
Die Schafe aber entrannen dem Wasser
[424]

und kamen in eine Wüste,
wo es weder Wasser noch Gras gab.
Da begannen sie ihre Augen aufzumachen und zu schauen,
und ich sah, wie der Herr der Schafe sie weidete
und ihnen Wasser und Gras gab
und wie jenes Schaf hinging und sie leitete.

29
Dann bestieg das Schaf den Gipfel des hohen Berges

und der Herr der Schafe sandte es wieder zu ihnen.

30
Danach sah ich den Herrn der Schafe vor ihnen stehen,

und sein Aussehen war furchtbar und majestätisch,
und die Schafe alle sahen ihn
und erschraken vor seinem Angesicht.

31
Sie fürchteten sich alle und zitterten seinetwegen;

dann schrieen sie nach jenem Schaf bei ihnen;
„Wir können vor unserm Herrn nicht standhalten,
noch ihn anschauen.“

32
Da bestieg das Schaf, das sie führte,

wieder den Gipfel des Felsens.
Die Schafe aber begannen, blind zu werden
und abzuirren von dem Weg, den er ihnen gezeigt;
aber das Schaf wußte nichts davon.

33
Da ward der Herr der Schafe über sie sehr zornig,

und als das Schaf dies bemerkte,
stieg es vom Gipfel des Felsens herab,
kam zu den Schafen
und fand den größten Teil davon verblendet und abgefallen.

34
Bei seinem Anblick fürchteten sie sich, zitterten vor ihm

und verlangten, zu ihren Hürden zurückzukehren.

35
Da nahm das Schaf andere Schafe mit sich

und kam zu jenen abgefallenen Schafen;
darauf begann es, sie zu töten;
da fürchteten sich die Schafe vor ihm,
und so brachte das Schaf die abgefallenen Schafe heim,
und sie kehrten zu ihren Hürden zurück.

36
Dann sah ich in diesem Gesichte hin,

bis jenes Schaf ein Mann ward
und dem Herrn der Schafe ein Haus baute
und alle jene Schafe in dies Haus einführte.

37
Ich sah auch,

wie jenes Schaf, das mit dem die Schafe führenden Schaf zusammengetroffen, entschlief;
ich sah auch, wie alle großen Schafe umkamen
und sich kleinere an ihrer Statt erhoben;
sie kamen dann zu einem Weideplatz
und näherten sich einem Wasserlauf.

38
Da trennte sich das führende Schaf, das ein Mann geworden, von ihnen

und entschlief;

[425]

da suchten es alle Schafe
und erhoben seinetwegen ein großes Geschrei.

39
Dann sah ich,

wie sie von dem Klagen um das Schaf abließen;
hierauf überschritten sie jenen Wasserstrom
und immer andere Schafe, die sie führten,
traten an die Stelle der Entschlafenen und führten sie.

40
Ich sah, wie die Schafe an einen guten Ort

und in ein liebliches und herrliches Land kamen,
und ich sah, wie diese Schafe satt wurden,
und jenes Haus stand in ihrer Mitte in dem lieblichen Land.

41
Manchmal waren ihre Augen offen, manchmal blind,

bis sich ein anderes Schaf erhob, sie führte
und alle zurückbrachte;
da standen ihre Augen offen.

42
Die Hunde, Füchse und Wildschweine aber begannen,

jene Schafe zu fressen,
bis der Herr der Schafe ein anderes Schaf, und zwar einen Widder, der sie führte,
aus ihnen erweckte.

43
Jener Widder begann,

nach beiden Seiten jene Hunde, Füchse und Wildschweine zu stoßen,
bis er viele umgebracht hatte.

44
Da wurden die Augen jenes Schafes geöffnet

und es sah, wie der Widder unter den Schafen seine Würde verleugnete
und diese Schafe zu stoßen begann, sie trat
und sich selbst unwürdig benahm.

45
Da sandte der Herr der Schafe das Lamm zu einem Lamm,

und stellte es als Widder und Führer der Schafe an Stelle jenes Widders auf;
denn dieser hatte seine Würde vergessen.

46
Es ging zu ihm und sprach mit ihm allein;

dann erhob er dieses zum Widder
und machte es zum Fürsten und Führer der Schafe;

47
Der erste Widder aber verfolgte den zweiten Widder,

und der zweite Widder erhob sich
und flüchtete sich vor ihm
und ich sah, wie jene Hunde den ersten Widder zu Fall brachten.

48a
Da erhob sich der zweite Widder

und führte die kleinen Schafe an.

49
Und diese Schafe wuchsen und mehrten sich;

alle Hunde, Füchse und Wildschweine fürchteten sich und flohen davon.
Jener Widder aber stieß und tötete alle Raubtiere,
und diese Raubtiere hatten nicht mehr länger Gewalt über die Schafe
und raubten ihnen nichts mehr.

48b
Und jener Widder erzeugte viele Schafe;

dann entschlief er.
Ein kleines Schaf ward an seiner Statt Widder, Fürst und Führer jener Schafe.

[426]
50
Und das Haus ward groß und breit,

und es ward für diese Schafe gebaut
und ein hoher, großer Turm ward an dem Haus
für den Herrn der Schafe gebaut.
Das Haus war niedrig, aber der Turm ragte hoch empor
und der Herr der Schafe stand auf dem Turm
und man stellte einen vollen Tisch vor ihn hin.

51
Dann sah ich, wie jene Schafe wieder abfielen,

auf vielerlei Wegen wandelten
und jenes ihr Haus verließen.
Da rief der Herr der Schafe einige von den Schafen
und sandte sie zu den Schafen;
da begannen die Schafe, sie zu töten.

52
Aber eins von ihnen ward gerettet

und nicht getötet;
es entkam und schrie über die Schafe.
Da wollten sie es töten;
aber der Herr der Schafe rettete es aus der Schafe Gewalt,
brachte es zu mir herauf
und ließ es hier wohnen.

53
Auch schickte er viele andere Schafe zu jenen Schafen,

sie zu mahnen und über sie zu klagen.

54
Danach sah ich,

daß sie alle abfielen und blind wurden,
nachdem sie das Haus des Herrn der Schafe und seinen Turm verlassen.
Ich sah, wie der Herr der Schafe viel Blutvergießen bei ihnen
in ihren Herden veranlaßte,
bis jene Schafe das Blutvergießen noch herausforderten und Seinen Ort verließen.

55
Da übergab er sie den Löwen, Tigern, Wölfen,

Hyänen, Füchsen und allen ändern Raubtieren
und diese wilden Tiere begannen, jene Schafe zu zerreißen.

56
Ich sah,

daß er jenes ihr Haus und ihren Turm verließ
und sie alle den Löwen preisgab,
um sie zu zerreißen und zu verschlingen,
all den wilden Tieren.

57
Da begann ich, aus allen meinen Kräften zu schreien

und den Herrn der Schafe anzurufen
und ihm wegen der Schafe Vorhalt zu machen,
daß sie von allen Raubtieren verschlungen würden.

58
Aber er blieb ruhig, obwohl er es sah,

und freute sich,
daß sie verschlungen, gefressen und geraubt wurden;
er überließ sie zum Verschlingen allen Raubtieren.

59
Dann rief er siebzig Hirten

und überließ ihnen jene Schafe zum Weiden;
er sprach zu den Hirten und ihren Genossen:

[427]

Jeder einzelne von euch soll von jetzt an die Schafe weiden,
und tuet alles, was ich euch gebieten werde!

60
Ich will sie euch genau abgezählt übergeben

und werde euch sagen,
wer davon umgebracht werden soll.
Diese bringet dann um!
Darauf überließ er ihnen diese Schafe.

61
Dann rief er einen andern und sprach zu ihm:

Gib acht und schau auf alles,
was die Hirten an diesen Schafen tun werden!
Denn sie werden mehr davon umbringen,
als ich ihnen befehle.

62
Schreib jede Überschreitung und Tötung auf,

die durch die Hirten vorgenommen wird,
wieviel sie nach meinem Befehl umbringen
und wieviel sie nach ihrer Willkür töten,
und schreib für jeden einzelnen Hirten alles auf, was er umbringt!

63
Lies es mir dann der Zahl nach vor,

wieviel sie nach ihrer Willkür umbrachten
und wieviel sie der Vernichtung überlieferten,
daß ich dies als Zeugnis gegen sie besitze
und alles Tun der Hirten kenne;
dann kann ich erwägen und sehen,
ob sie meinen Befehlen folgten oder nicht.

64
Aber sie dürfen es nicht erfahren

und du darfst es ihnen nicht mitteilen,
noch sie ermahnen;
sondern schreib von jedem einzelnen die Tötung auf,
die die Hirten, jeder zu seiner Stunde, vollziehen,
und leg mir alles vor!

65
Da sah ich,

wie jene Hirten zu ihrer Zeit weideten;
sie begannen,
mehr, als ihnen befohlen ward, umzubringen und zu töten,
und sie gaben diese Schafe den Löwen preis.

66
Und die Löwen und Tiger fraßen

und verschlangen den größten Teil dieser Schafe;
die Wildschweine fraßen mit ihnen;
dann verbrannten sie den Turm und zerstörten das Haus.

67
Da ward ich wegen des Turmes sehr traurig,

weil das Haus der Schafe zerstört ward;
nachher konnte ich nicht mehr sehen,
ob diese Schafe das Haus betraten.

68
Die Hirten und ihre Genossen überließen diese Schafe

all den Raubtieren zum Fraß;
jedes davon erhielt zu seiner Zeit eine bestimmte Zahl;
es wurde von dem andern in ein Buch geschrieben,
wieviel jeder einzelne von ihnen davon umbrachte.

[428]
69
Und jeder brachte mehr um

und tötete, als vorgeschrieben war.
Da begann ich wegen jener Schafe zu weinen und zu klagen.

70
So sah ich in dem Gesicht,

wie jener Schreiber jedes einzelne,
das durch jene Hirten umkam,
Tag für Tag aufschrieb
und wie er das ganze Buch dem Herrn der Schafe hinauftrug und vorlegte,
und wie er alles aufzeigte, was sie getan,
und alle, die jeder von ihnen beseitigt hatte,
überhaupt alle, die sie der Vernichtung überlieferten.

71
Und das Buch ward dem Herrn der Schafe vorgelesen;

dann nahm er das Buch aus seiner Hand, las es,
versiegelte es und legte es beiseite.

72
Danach sah ich,

wie die Hirten zwölf Stunden weideten.
Da kehrten drei jener Schafe zurück;
sie kamen, gingen hinein
und begannen, alle Trümmer des Hauses aufzubauen;
aber die Wildschweine hielten sie davon ab,
so daß sie nichts vermochten.

73
Dann begannen sie wieder zu bauen, wie zuvor,

und führten den Turm auf
und er hieß der hohe Turm;
dann begannen sie wieder einen Tisch vor den Turm zu stellen;
aber alles Brot darauf war befleckt und unrein.

74
Trotz alledem waren die Augen dieser Schafe blind,

desgleichen die der Hirten, so daß sie nicht sehen konnten,
und sie wurden in großer Menge ihren Hirten zum Umbringen übergeben
und diese traten die Schafe mit Füßen und verschlangen sie.

75
Der Herr der Schafe aber blieb ruhig,

bis sich alle Schafe über das Feld zerstreuten
und sich mit ihnen vermischten;
jene aber retteten sie nicht aus der Gewalt der Raubtiere.

76
Der Schreiber des Buches brachte es dann hinauf,

zeigte und las es dem Herrn der Schafe vor;
dann legte er Fürbitte für sie ein
und bat ihn,
indem er ihm alle Taten der Hirten zeigte
und vor ihm gegen alle Hirten zeugte.

77
Dann nahm er das Buch,

legte es bei ihm nieder und ging fort.

 

90. Kapitel
1
Ich sah nun, wie in dieser Art 35 Hirten weideten,

und jeder füllte seine Zeit aus, wie die Vorgänger;
dann bekamen andere sie in ihre Gewalt,
um sie für ihre Zeit zu weiden, jeder Hirte zu seiner Zeit.

[429]
2
Dann sah ich im Gesicht alle Vögel des Himmels kommen,

die Adler, Geier, Weihen und Raben;
aber die Adler führten alle anderen Vögel an
und sie begannen jene Schafe zu fressen,
ihnen die Augen auszuhacken und ihr Fleisch zu verzehren.

3
Da schrieen die Schafe,

weil ihr Fleisch von den Vögeln verzehrt wurde;
als ich es sah,
wehklagte ich in meinem Schlaf über den Hirten, der die Schafe weidete.

4
Dann sah ich,

wie jene Schafe von den Hunden, Adlern und Weihen gefressen wurden,
und sie ließen daran weder Fleisch noch Haut noch Sehnen übrig,
bis nur noch ihr Knochengerüst dastand;
dann fiel auch ihr Knochengerüst zu Boden,
und so wurden die Schafe immer weniger.

5
Ich sah,

wie dann 23 Hirten das Weiden übernahmen
und 23 Zeiten ausfüllten.

6
Da wurden von jenen weißen Schafen Lämmer zur Welt gebracht;

diese begannen ihre Augen aufzumachen,
zu sehen und nach den Schafen zu schreien.

7
Trotzdem sie nach ihm schrieen,

hörten sie nicht, was sie ihnen erzählten,
sondern waren über die Maßen taub
und ihre Augen waren ganz ungewöhnlich verblendet.

8
Da sah ich im Gesicht,

wie Raben auf diese Lämmer flogen,
eines dieser Lämmer packten
und die Schafe zerstückelten und verschlangen

9
Ich sah,

wie jenen Lämmern Hörner wuchsen;
aber die Raben warfen ihre Hörner zu Boden.
Dann sah ich,
wie ein großes Horn bei einem dieser Schafe hervorwuchs;
da wurden ihre Augen geöffnet.

10
Es sah nach ihnen

und schrie nach den Schafen;
als es die Böcke sahen, liefen sie ihm alle zu.

11
Trotzdem zerrissen jene Adler,

Geier, Raben und Weihen immerfort die Schafe,
flogen auf sie los und verschlangen sie.
Die Schafe aber blieben ruhig;
nur die Böcke wehklagten und schrieen.

12
Da kämpften jene Raben, stritten mit ihm

und suchten sein Horn zu beseitigen;
sie konnten es aber nicht überwältigen.

13
Dann sah ich,
[430]

wie die Hirten und Adler, Geier und Weihen kamen,
und sie schrieen den Raben zu,
sie sollten das Horn jenes Bockes zerbrechen;
so kämpften und stritten sie mit ihm,
und er stritt mit ihnen;
da schrie es um Hilfe.

14
Ich sah,

wie jener Mann kam,
der die Namen der Hirten aufschrieb
und sie dem Herrn der Schafe aufschrieb;
er half dann dem Bock
und zeigte ihm alles;
er war ja herabgestiegen, ihm zu helfen.

15
Dann sah ich,

wie der Herr der Schafe zu ihnen im Zorn kam;
alle, die ihn sahen, flohen
und alle fielen vor seinem Antlitz in Ohnmacht.

16
Alle Adler, Geier, Raben und Weihen kamen zusammen;

sie brachten alle Schafe des Feldes mit;
ja, sie kamen alle zusammen
und halfen einander, des Bockes Horn zu brechen.

17
Ich sah,

wie jener Mann, der das Buch auf des Herrn Befehl schrieb,
jenes Buch über die Vernichtung öffnete,
die jene letzten zwölf Hirten angerichtet,
und er legte vor dem Herrn der Schafe dar,
daß sie viel mehr, als ihre Vorgänger, umgebracht hätten.

18
Ich sah,

wie der Herr der Schafe zu ihnen kam,
seinen Zornstab in die Hand nahm
und die Erde schlug, daß sie zerbarst.
Da glitten alle Tiere und des Himmels Vögel von jenen Schafen herab
und versanken in die Erde, die sich über ihnen schloß.

19
Ich, sah,

wie den Schafen ein großes Schwert übergeben ward,
und die Schafe zogen gegen alle Tiere des Feldes, sie zu töten;
da flohen vor ihnen alle Tiere und des Himmels Vögel.

20
Ich sah,

wie ein Thron in dem lieblichen Land errichtet wurde
und sich der Herr der Schafe darauf setzte,
und der andere nahm die versiegelten Bücher
und öffnete diese Bücher vor dem Herrn der Schafe.

21
Da rief der Herr jene ersten sieben Weißen

und befahl vor ihn alle Sterne zu bringen,
deren geheime Glieder denen der Rosse glichen,
angefangen von dem ersten Stern, der den Weg verließ;
da brachten sie alle diese vor ihn.

22
Da sprach er zu jenem Mann, der vor ihm schrieb
[431]

und der einer der sieben Weißen war, und sagte zu ihm:
Nimm diese siebzig Hirten,
denen ich die Schafe übergab!
Sie nahmen sie zwar an,
töteten aber mehr davon, als ich ihnen befahl.

23
Fürwahr, ich sah sie alle gefesselt vor Ihm stehen.
24
Das Gericht ward zuerst über die Sterne gehalten;

sie wurden gerichtet, verurteilt
und kamen an den Ort der Verdammnis;
da warf man sie in einen Abgrund voller Feuer und Flammen
und voller Feuersäulen.

25
Auch jene siebzig Hirten wurden gerichtet, verurteilt

und in jenen Feuerpfuhl geworfen.

26
Ich sah in jener Zeit,

wie sich mitten auf der Erde ein ähnlicher Abgrund voller Feuer öffnete;
da brachte man jene verblendeten Schafe;
alle wurden gerichtet, verurteilt
und in jenen Feuerpfuhl geworfen;
da brannten sie;
dieser Abgrund befand sich zur Rechten jenes Hauses.

27
Ich sah jene Schafe und ihr Gebeine brennen.
28
Dann stand ich auf, zu sehen,

wie man das alte Haus einwickelte.
Man schaffte alle Säulen hinaus;
ebenso wurden alle Balken und Verzierungen des Hauses
zugleich mit ihm eingewickelt;
dann schaffte man es fort
und legte es an einen Ort im Süden.

29
Ich sah, wie der Herr der Schafe ein neues Haus brachte,

größer und höher als jenes erste;
er stellte es am Ort des ersten auf,
das eingewickelt worden war.
Alle seine Säulen waren neu
auch seine Verzierungen neu und größer,
als die des ersten alten Hauses, das er weggeschafft hatte;
und alle Schafe waren darin.

30
Dann sah ich, wie alle übriggebliebenen Schafe

sowie alle andern Tiere auf Erden und des Himmels Vögel niederfielen,
jene Schafe verehrten, sie anflehten
und ihnen aufs Wort gehorchten.

31
Darauf nahmen mich an der Hand jene drei Weißgekleideten,

die mich zuvor hinaufgebracht;
auch die Hand des Bockes erfaßte mich.
So brachten sie mich hin
und setzten mich mitten unter jenen Schafen nieder,
bevor das Gericht begann.

32
Jene Schafe aber waren alle weiß

und ihre Wolle reichlich und rein.

[432]
33
Da kamen in jenem Haus alle Umgebrachten und Zerstreuten zusammen -

ebenso alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels
und der Herr der Schafe freute sich recht,
weil alle gut waren
und in sein Haus zurückkehrten.

34
Dann sah ich,

wie sie jenes den Schafen verliehene Schwert niederlegten,
dies in sein Haus brachten
und vor des Herrn Angesicht versiegelten.
Alle Schafe wurden in jenes Haus eingeladen;
doch faßte es sie nicht.

35
Aller Augen waren geöffnet,

so daß sie das Gute sahen,
und unter ihnen war niemand,
der nicht sehend gewesen wäre.

36
Ich sah, daß jenes Haus groß, geräumig und sehr voll war.
37
Ich sah dann,

daß ein weißer Stier zur Welt kam.
Alle Tiere des Feldes und alle Vögel des Himmels fürchteten ihn
und flehten zu ihm alle Zeit.

38
Ich sah,

wie alle ihre Geschlechter verwandelt und alle weiße Stiere wurden;
der erste davon war ein Jungstier
und der Jungstier wurde ein großes Tier
und bekam große, schwarze Hörner an seinem Kopf.
Da freute sich der Herr der Schafe darüber und über alle Farren.

39
Ich schlief in ihrer Mitte;

da wachte ich auf und sah alles.

40
Das ist das Gesicht, das ich im Schlafe sah;

nach dem Erwachen pries ich den Herrn der Gerechtigkeit
und stimmte ihm einen Lobgesang an.

41
Dann brach ich in lautes Weinen aus

und meine Tränen hörten nicht auf,
bis ich es nicht länger mehr aushalten konnte.
So oft ich hinsah,
rannen sie herab wegen dessen, was ich sah.
Denn alles wird eintreffen und sich erfüllen;
alles Tun der Menschen wurde mir der Reihe nach gezeigt.

42
In jener Nacht erinnerte ich mich meines ersten Traumes;

auch seinetwegen weinte ich und ward bestürzt,
weil ich jenes Gesicht gesehen hatte.

 

Der fünfte Teil 91–105 Das Erbauungsbuch
91. Kapitel: Mahnung zur Gerechtigkeit
1
Nun, mein Sohn Metusala,

ruf mir alle deine Brüder
und bring zu mir alle Söhne deiner Mutter!

[433]

Denn das Wort ruft mich
und der Geist ist über mir ausgegossen,
damit ich euch alles zeige,
was euch in Ewigkeit treffen wird.

2
Daraufhin ging Metusala fort,

reif alle seine Brüder zusammen
und versammelte seine Verwandten.

3
Da sprach er zu all den Kindern der Gerechtigkeit:

Hört, ihr Söhne Henochs, alle Worte eures Vaters
und horcht genau auf meines Mundes Stimme!
Denn ich ermahne euch und sage euch, Geliebte:
Liebet die Rechtschaffenheit und wandelt darin!

4
Nahet euch nicht der Rechtschaffenheit mit zwiespältigem Herzen

und schließet euch nicht den Leuten mit zwiespältigem Herzen an,
sondern wandelt in Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, meine Söhne!
Sie leitet euch auf gute Wege,
und die Gerechtigkeit wird eure Gefährtin sein.

5
Denn ich weiß,

daß auf Erden Gewalttätigkeit überhand nimmt,
daß ein großes Strafgericht auf Erden vollzogen wird,
daß alle Ungerechtigkeit ein Ende nimmt,
ja, daß sie von ihren Wurzeln abgeschnitten
und ihr ganzes Gebäude vergehen wird.

6
Zum zweiten Mal wiederholt sich die Ungerechtigkeit auf Erden,

und alle Werke der Ungerechtigkeit, Gewalttätigkeit und des Frevels
gewinnen doppelt die Oberhand.

7
Wenn aber Sünde, Ungerechtigkeit, Gotteslästerung und Gewalttätigkeit

in allem Tun zunimmt
und Abfall, Frevel und Unreinheit wachsen,
dann kommt über alle ein großes Strafgericht vom Himmel,
und der Herr tritt mit Zorn und Züchtigung hervor,
um Gericht auf Erden zu halten,

8
In jenen Tagen wird die Gewalttätigkeit von ihren Wurzeln abgeschnitten,

ebenso die Wurzeln der Ungerechtigkeit samt dem Betrug,
und sie werden unterm Himmel vernichtet werden.

9
Alle heidnischen Götzenbilder werden verlassen

und die Tempel mit Feuer verbrannt werden;
man wird sie von der ganzen Erde wegschaffen;
die Heiden werden in das Feuergericht geworfen
und im Zorn und im gewaltigen Gericht für immer umkommen.

10
Die Gerechten aber werden von ihrem Schlaf aufstehen,

und die Weisheit wird sich erheben
und ihnen verliehen werden.

11
Daraufhin werden die Wurzeln der Ungerechtigkeit abgeschnitten werden

und die Sünder durchs Schwert umkommen;
den Lästerern werden an jenem Ort die Wurzeln abgeschnitten
und die auf Gewalttat sinnen und Lästerungen ausstoßen,
kommen durchs Schwert um.

[434]
12
Danach hebt eine andere Woche an,

die achte, die der Gerechtigkeit,
und ein Schwert wird ihr verliehen,
damit ein gerechtes Gericht an den Bedrückten vollzogen werde,
und die Sünder werden den Händen der Gerechten überliefert.

13
An ihrem Schluß erwerben sie Häuser durch ihre Gerechtigkeit,

und ein Haus wird für den großen König
in Herrlichkeit für immer erbaut werden.

14
Danach wird in der neunten Woche

das gerechte Gericht der ganzen Welt geoffenbart werden,
und alle Werke der Gottlosen schwinden von der ganzen Erde;
die Welt wird für den Untergang aufgeschrieben,
und alle Menschen schauen nach dem Weg der Rechtschaffenheit.

15
Danach findet in der zehnten Woche, im siebten Teil,

das große ewige Gericht statt,
wobei Er die Strafe an den Engeln vollzieht.

16
Der erste Himmel wird verschwinden und vergehen;

dann erscheint ein neuer Himmel,
und alle Kräfte des Himmels leuchten dann siebenfach immerdar.

17
Danach wird es viele zahllose Wochen bis in Ewigkeit in Güte und Gerechtigkeit geben,

und die Sünde wird von da an bis in Ewigkeit
nicht mehr erwähnt werden.

 

92. Kapitel: Mahnungen und Warnungen
1
Dies ist das Buch, von Henoch geschrieben –

Henoch schrieb wirklich diese vollständige Lehre der Weisheit,
die für alle Menschen preiswürdig und Richterin der ganzen Erde ist,
für alle meine Kinder, die auf Erden wohnen werden,
und für die kommenden Geschlechter,
die Rechtschaffenheit und Frieden beobachten werden.

2
Euer Geist betrübe sich nicht wegen der bösen Zeiten!

Denn der Heilige und Große hat für alle Dinge Tage bestimmt

3
Der Gerechte wird aus dem Schlaf auferstehen,

ja auferstehen und auf dem Pfade der Gerechtigkeit wandern,
und sein ganzer Weg und Wandel besteht in ewiger Güte und Gnade.

4
Er wird gegen den Gerechten gnädig sein,

ihm ewige Rechtschaffenheit geben und Herrschaft verleihen;
er wird in Güte und Rechtschaffenheit leben
und in ewigem Lichte wandeln.

5
Die Sünde wird in Finsternis für ewig vernichtet

und sich nicht mehr von jenem Tag an bis in Ewigkeit zeigen.

 

93. Kapitel: Die Zehn-Wochen-Apokalypse 93 u. 91,12–17
1
Danach begann Henoch

aus den Büchern zu erzählen.

2
Henoch sprach:

Von den Kindern der Gerechtigkeit, den Auserwählten der Welt

[435]

und von der Pflanze der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit
will ich zu euch reden;
ja, ich, Henoch, tue es euch, meinen Söhnen, kund,
alles, was mir in dem himmlischen Gesichte gezeigt wurde,
was ich durch der heiligen Engel Wort weiß
und was ich aus den himmlischen Tafeln lernte.

3
So begann Henoch,

aus den Büchern zu erzählen, und sprach:
Ich bin als der Siebte in der ersten Woche geboren worden,
während sich das gerechte Gericht noch verzog.

4
Nach mir kommt in der zweiten Woche große Bosheit auf,

und Betrug sproßt auf;
in ihr wird das erste Ende sein,
und ein Mann wird darin gerettet werden.
Ist aber das Ende vorüber,
dann nimmt die Ungerechtigkeit zu,
und ein Gesetz wird für die Sünder gemacht werden.

5
Danach wird am Ende der dritten Woche

ein Mann als Pflanze des gerechten Gerichtes erwähnt werden
und seine Nachkommenschaft wird die ewige Pflanze der Gerechtigkeit werden.

6
Danach werden am Ende der vierten Woche

die Gesichte der Heiligen und Gerechten gesehen werden,
und ein Gesetz wird für alle kommenden Geschlechter und ein Hof für sie hergestellt werden,

7
Danach wird am Ende der fünften Woche

das Haus der Herrlichkeit und Herrschaft für immer gebaut.

8
Daraufhin werden in der sechsten Woche

alle in ihr Lebenden erblinden,
und aller Herzen werden gottlos die Weisheit verlassen;
ein Mann wird darin auffahren.
An ihrem Ende wird das Haus der Herrschaft verbrannt
und das ganze Geschlecht der auserwählten Wurzel zerstreut.

9
Danach erhebt sich in der siebten Woche ein abtrünniges Geschlecht;

zahlreich werden seine Taten sein;
alle seine Taten aber sind Abfall.

10
An ihrem Ende werden ausgesucht

die auserwählten Gerechten der ewigen Gerechtigkeitspflanze,
um siebenfache Belehrung über seine ganze Schöpfung zu erhalten.

11
Wen gibt es unter allen Menschenkindern,

der des Heiligen Stimme hören könnte, ohne erschüttert zu werden?
Wer kann seine Gedanken denken?
Wer kann alle Werke des Himmels schauen?

12
Wie vermag jemand den Himmel anzusehen

und wer kann des Himmels Dinge erkennen,
eine Seele oder einen Geist sehen und davon berichten,
oder hinaufzusteigen und all ihre Enden schauen,
sie begreifen oder es ihnen gleich tun?

13
Wer von allen Männern kann wissen,
[436]

was der Erde Breite und Länge ist,
und wem ward das Maß von all dem gezeigt?

14
Oder gibt es jemanden,

der des Himmels Länge erkennen könnte,
wieviel seine Höhe beträgt,
wie groß die Zahl der Sterne
und wo alle Leuchten ruhen?

 

94. Kapitel
1
Nun sage ich euch, meinen Söhnen:

Liebet die Gerechtigkeit und wandelt darin!
Denn der Gerechtigkeit Pfade verdienen Annahme;
aber die Wege der Ungerechtigkeit vergehen
und verschwinden plötzlich.

2
Bestimmten Menschen eines Geschlechtes

werden die Wege der Gewalttätigkeit und des Todes geoffenbart;
sie halten sich dann davon fern
und befolgen sie nicht.

3
Und nun sage ich zu euch, ihr Gerechten:

Wandelt nicht auf der Bosheit Weg
noch auf den Pfaden des Todes!
Nähert euch ihnen nicht,
damit ihr nicht umkommt,

4
sondern suchet und wählet euch die Gerechtigkeit und ein frommes Leben

und wandelt auf des Friedens Pfaden,
damit ihr am Leben bleiben und glücklich sein könnt!

5
Bewahret meine Worte in den Gedanken eures Herzens

und lasset sie euch nicht aus euren Herzen reißen!
Denn ich weiß,
daß die Sünder die Menschen zur Verschlechterung der Weisheit verführen wollen,
so daß für diese keine Stätte mehr gefunden würde,
und Versuchungen aller Art werden nicht aufhören.

6
Wehe denen, die Ungerechtigkeit und Gewalttat aufrichten

und den Betrug zum Grundstein machen!
Denn sie werden plötzlich ausgerottet
und haben keinen Frieden mehr.

7
Wehe denen, die ihre Häuser mit Sünde bauen!

Denn sie werden von ihrer ganzen Gründung losgerissen
und durchs Schwert fallen,
und die Gold und Silber erwerben,
kommen plötzlich im Gerichte um.

8
Wehe euch, ihr Reichen!

Denn ihr verließet euch auf euren Reichtum
und müsset jetzt von euren Schätzen fort.
Ihr dachtet ja in eures Reichtums Tagen nicht an den Höchsten.

9
Ihr beginget Gotteslästerung und Ungerechtigkeit,
[437]

und so verdientet ihr den Tag des Blutvergießens,
den Tag der Finsternis und den Tag des großen Gerichtes.

10
Solches sage ich und tue euch kund:

Euer Schöpfer will euch vernichten.
Kein Erbarmen gibt es für euren Fall;
euer Schöpfer freut sich sogar über euren Untergang.

11
Eure Gerechten dienen dann in jenen Tagen

den Sündern und Gottlosen zur Beschämung.

 

95. Kapitel
1
Ach wären meine Augen eine Wasserwolke,

damit ich über euch weinen könnte,
und meine Tränen wie eine Wasserwolke zum Ausgießen,
damit ich von meines Herzens Trübsal ruhen könnte!

2
Wer gestattete euch, Haß und Bosheit auszuüben?

Möchte das Gericht euch Sünder treffen!

3
Fürchtet euch nicht vor den Sündern, ihr Gerechten!

Denn der Herr gibt sie abermals in eure Hand,
daß ihr nach Belieben über sie Gericht haltet.

4
Wehe euch, die ihr unwiderrufliche Verwünschungen ausstoßet!

Ferne bleibe euch Heilung um eurer Sünden willen!

5
Wehe euch, die ihr eurem Nächsten Böses zufügt!

Denn nach euren Werken wird euch vergolten werden.

6
Wehe euch, ihr lügnerischen Zungen,

und wehe denen, die Unrecht darwägen!
Denn ihr kommet plötzlich um.

7
Wehe euch, ihr Sünder!

Denn ihr verfolget den Gerechten.
So sollt ihr dahingegeben und wegen der Ungerechtigkeit verfolgt werden,
und schwer wird ihr Joch auf euch lasten.

 

96. Kapitel
1
Seid voller Hoffnung, ihr Gerechten!

Denn plötzlich kommen die Sünder vor euch
und ihr herrschet dann nach eurem Belieben über sie.

2
Am Trübsalstag der Sünder erheben sich eure Kinder

und steigen wie die Adler auf,
und euer Nest wird höher als das der Geier sein.
Ihr steiget hinauf und dringet in die Höhlen der Erde
und in die Felsenklüfte vor den Gottlosen immerdar, wie Kaninchen;
sie seufzen dann euretwegen
und weinen wie die Sirenen.

3
Deshalb fürchtet euch nicht, ihr Leidenden!

Denn Heilung wird euch zuteil werden.
Helles Licht wird euch scheinen,
und ihr höret dann die Stimme der Ruhe vom Himmel her.

[438]
4
Wehe euch, ihr Sünder!

Euer Reichtum läßt euch als Gerechte erscheinen;
aber eure Herzen überführen euch als Sünder,
und dies ist dann ein Zeugnis gegen euch zur Erinnerung an Übeltaten.

5
Wehe euch,

die ihr das Mark des Weizens verzehret
und Wein in großen Schalen trinket,
aber die Niedrigen durch eure Macht mit Füßen tretet.

6
Wehe euch,

die ihr Wasser aus jeder Quelle trinken könnt!
Denn plötzlich werdet ihr vernichtet werden und vergehen,
weil ihr den Lebensquell verlassen habt.

7
Wehe euch,

die ihr Ungerechtigkeit, Betrug und Lästerung verübet!
Es wird ein Gedenken zum Bösen für euch geben.

8
Wehe euch,

ihr Mächtigen, die ihr gewaltsam den Gerechten unterdrückt!
Denn der Tag eures Verderbens kommt.
In jener Zeit kommen für die Gerechten viele glückliche Tage,
wenn ihr gerichtet werdet.

 

97. Kapitel
1
Ihr Gerechten, glaubet nur,

daß die Sünder zuschanden werden
und am Tag der Ungerechtigkeit umkommen!

2
Es sei euch kundgetan, daß der Höchste an euren Untergang denkt,

und daß sich des Himmels Engel über euren Untergang freuen!

3
Was wollt ihr, Sünder, tun?

Wohin wollt ihr an jenem Gerichtstag fliehen,
wenn ihr der Gerechten laute Gebete vernehmen werdet?

4
Ja, gehen wird’s euch wie jenen,

gegen die dies Wort als Zeugnis dient: „Ihr seid Genossen der Sünder gewesen.“

5
In jenen Tagen dringt das Gebet der Gerechten zum Herrn,

und die Tage eures Gerichtes überraschen euch.

6
Alle eure ungerechten Reden werden vor dem Großen, Heiligen vorgelesen;

euer Antlitz errötet dann vor Scham,
und Er wird jedes auf Ungerechtigkeit gegründete Werk verwerfen.

7
Wehe euch, ihr Sünder, mitten im Meer und auf dem Festland!

Die Erinnerung an euch ist widerwärtig.

8
Wehe euch, die ihr Silber und Gold ungerecht erwarbet und sagt:

„Wir sind sehr reich geworden, haben Schätze
und besitzen alles, was wir wünschen.

9
Jetzt wollen wir unser Vorhaben ausführen;

denn wir sammelten Geld
und füllten unsere Kornhäuser wie mit Wasser an,
und zahlreich ist das Gesinde in unsern Häusern.“

[439]
10
Ja – und wie Wasser sollen eure Lügen zerrinnen;

denn euer Reichtum bleibt euch nicht,
sondern steigt plötzlich von euch auf.
Denn ihr habt alles in Ungerechtigkeit erworben,
und so werdet ihr der großen Verdammnis überliefert.

 

98. Kapitel
1
Und nun schwöre ich, ihr Weisen und ihr Toren,

daß ihr auf Erden viel erfahren werdet.

2
Wenn ihr, Männer, euch auch mehr Schmuck anleget,

als ein Weib,
und mehr bunte Gewänder als eine Jungfrau,
so wird es doch wie Wasser fortgeschüttet werden,
trotz Königswürde, Hoheit und Macht,
trotz Silber, Gold, Purpur, Ehre und Speise.

3
Weil ihnen Wissen und Weisheit fehlt,

so gehen sie samt ihren Schätzen
mit all ihrer Herrlichkeit und Ehre unter
und werden durch Mord in Schmach
und in großer Armut in den Feuerofen geworfen.

4
Ich schwöre euch Sündern:

Wie kein Berg je ein Sklave ward noch wird
und wie kein Hügel eines Weibes Sklavin wird,
also ward auch die Sünde nicht auf die Erde gesandt;
sondern die Menschen schufen sie von sich selbst,
und großer Verdammnis fallen anheim, die sie begehen.

5
Unfruchtbarkeit ist dem Weib nicht gegeben;

sondern wegen seiner Hände Werk stirbt es kinderlos.

6
Ich schwöre euch Sündern bei dem Großen, Heiligen,

daß alle eure bösen Werke in den Himmeln offenbar sind
und daß keines eurer gewalttätigen Werke verdeckt oder verborgen ist.

7
Denkt nicht in eurem Geist,

noch sprecht in eurem Herzen,
daß ihr nicht wisst noch sehet,
wie jede Sünde täglich im Himmel vor dem Höchsten aufgeschrieben wird.

8
Von jetzt an wisst ihr,

daß alle von euch begangene Gewalttat
täglich bis zu eurem Gerichtstag ausgeschrieben wird.

9
Wehe euch Toren!

Denn ihr kommet durch eure Torheit um.
Ihr hörtet nicht auf die Weisen,
und so empfanget ihr auch nichts Gutes.

10
Wisset nun, daß ihr für den Tag des Verderbens aufbewahrt seid!

Hasset nicht,
daß ihr Sünder am Leben bleiben werdet!
Ihr werdet vielmehr hingehen und sterben.
Denn ihr wisset kein Lösegeld;

[440]

ihr seid für den großen Gerichtstag aufbewahrt,
den Tag der Trübsal und eurer großen Geistesbeschämung.

11
Wehe euch Herzensverstockten,

die ihr Böses tut und Blut genießet!
Woher habt ihr die guten Dinge zum Essen, Trinken und Sattwerden?
Nur von all den guten Dingen,
womit unser Herr, der Höchste, die Erde reichlich bedachte.
Ihr werdet deshalb keinen Frieden haben.

12
Wehe euch,

die ihr der Ungerechtigkeit Werke liebet!
Warum hoffet ihr für euch auf Gutes?
Wisset,
daß ihr in der Gerechten Hände überliefert werdet!
Sie werden euch die Hälse abschneiden und euch erbarmungslos töten.

13
Wehe euch,

die ihr euch über der Gerechten Drangsal freuet!
Kein Grab soll für euch gegraben werden!

14
Wehe euch, die ihr der Gerechten Worte zunichte machet!

Denn ihr werdet auf Leben nicht hoffen dürfen.

15
Wehe euch,

die ihr Lügenrede und Frevelworte niederschreibet!
Sie schreiben ja ihre Lügen auf,
damit die Leute sie vernehmen und gottlos gegen den Nächsten handeln.

16
Deshalb werden sie keinen Frieden haben,

sondern plötzlich sterben.

 

99. Kapitel
1
Wehe denen, die gottlose Werke tun,

Lügenworte loben und hochschätzen!
Ihr werdet zugrunde gehen und kein gutes Leben haben.

2
Wehe denen,

die der Wahrheit Worte fälschen,
das ewige Gesetz übertreten
und sich zu dem machen, was sie nicht waren, zu Sündern!
Sie sollen auf Erden zertreten werden.

3
In jenen Tagen seid bereit, ihr Gerechten,

eure Gebete zum Gedenken vorzutragen
und sie den Engeln als Zeugnis vorzulegen,
damit sie die Missetat der
dem Höchsten zur Erinnerung vortragen!

4
In jenen Tagen kommen die Völker in Aufruhr

und die Geschlechter erheben sich an des Verderbens Tag.

5
In jenen Tagen gehen die Notleidenden hin

und tragen ihre Kinder fort,
und sie verlassen sie,
so daß ihre Kinder durch sie umkommen.

[441]

Ja, sie verlassen ihre Säuglinge
und kehren nicht mehr zu ihnen zurück
und haben kein Erbarmen mehr mit ihren Lieblingen.

6
Abermals schwöre ich euch Sündern,

daß die Sünde für einen Tag unaufhörlichen Blutvergießens aufbewahrt ist.

7
Die einen werden Steine anbeten,

die andern Bilder aus Gold, Silber, Holz und Ton verfertigen;
andere beten unreine Geister, Dämonen
und allerlei Götzenbilder aus Unverstand an;
aber keinerlei Hilfe kommt von ihnen.

8
Sie werden um ihrer Herzenstorheit willen gottlos

und ihre Augen verblendet durch ihre Herzensfurcht
und ihre Traumgesichte.

9
Dadurch werden sie gottlos und furchtsam werden,

weil sie alle ihre Werke in Lüge tun
und Steine anbeten.
Sie kommen deshalb in einem Augenblick um.

10
Aber in jenen Tagen werden selig

alle, die der Weisheit Worte annehmen und kennen,
des Höchsten Wege beobachten,
auf seiner Gerechtigkeit Pfaden wandeln
und nicht mit den Gottlosen sündigen;
denn sie werden gerettet werden.

11
Wehe euch,

die ihr auf Unglück für euren Nächsten hofft!
Denn in der Hölle sollt ihr getötet werden.

12
Wehe euch,

die ihr betrügerische und falsche Maße machet,
und wehe denen, die auf Erden Erbitterung bewirken!
Denn sie werden gänzlich vernichtet werden.

13
Wehe euch,

die ihr eure Häuser durch anderer Mühen baut
und deren Baustoff die Ziegel und Steine der Sünde sind!
Ich sage euch: Ihr habt keinen Frieden.

14
Wehe denen,

die das Maß und das ewige Erbe ihrer Väter verachten
und deren Seelen den Götzen anhängen!
Denn sie werden keine Ruhe haben.

15
Wehe denen,

die Unrecht tun und die Gewalttätigkeit unterstützen
und ihre Nächsten bis zum großen Gerichtstag töten!

16
Denn Er wirft eure Herrlichkeit zu Boden,

bringt Kummer über euer Herz,
erweckt den Geist seines Zornes
und vernichtet auch alle mit dem Schwert.
Alle Gerechten und Heiligen gedenken dann eurer Sünden.

 

[442]
100. Kapitel
1
In jenen Tagen werden die Väter mit ihren Söhnen an Einem Ort erschlagen

und Brüder sinken miteinander in den Tod,
bis die Ströme mit ihrem Blute fliehen.

2
Denn keiner wird seine Hand mitleidig

vom Erschlagen des Sohnes oder Enkels zurückhalten,
noch ein Sünder von der Tötung seines verehrten Bruders.
Vom Morgen bis zum Abend werden sie einander morden.

3
Das Roß watet dann bis an die Brust im Sünderblut,

und der Wagen sinkt bis zu seiner Höhe ein.

4
In jenen Tagen steigen die Engel in Verstecke herab,

und an Einem Ort sammeln sich alle, die die Sünde herabbrachten,
und der Höchste erhebt sich an jenem Gerichtstag,
um unter den Sündern ein großes Gericht zu halten.

5
Er setzt dann über alle Gerechten und Heiligen

Wächter aus den heiligen Engeln ein,
um sie wie einen Augapfel zu behüten,
bis Er aller Schlechtigkeit und Sünde Ende macht.
Mögen auch die Gerechten einen langen Schlaf schlafen,
so haben sie doch nichts zu fürchten.

6
Dann schauen die Kinder der Erde den Weisen in Sicherheit

und verstehen alle Worte dieses Buches;
dann erkennen sie, daß ihr Reichtum sie nicht retten kann
bei der Vernichtung ihrer Sünden.

7
Wehe euch Sündern am Tage der heftigen Angst,

ihr, die ihr die Gerechten peinigt und sie verbrennt!
Ihr sollt nach euren Werken bestraft werden.

8
Wehe euch, ihr Herzensverstockten,

die ihr wachet, um Böses auszudenken!
Deshalb soll Furcht euch befallen,
und niemand wird euch helfen.

9
Wehe euch Sündern!

Denn ihr werdet in loderndem Feuer brennen
wegen eures Mundes Worte und eurer Hände Werke, die ihr gottlos tatet.

10
Wisset nun,

daß Er von den Engeln im Himmel, von der Sonne, dem Mond und den Sternen
eure Sünden erforschen wird,
weil ihr auf Erden an den Gerechten Gericht übtet!

11
Er macht dann Wolken, Tau und Regen zu Zeugen gegen euch;

denn diese alle werden euretwegen zurückgehalten,
daß sie nicht auf euch herabkommen,
und sie erinnern an eure Sünden.

12
Und nun gebt doch Geschenke dem Regen,

daß er nicht zögere, auf euch herabzukommen,
und dem Tau, daß er herabfalle,
wenn er von euch Silber und Gold empfangen hat!

13
Wenn der Reif und der Schnee mit ihrer Kälte
[443]

und alle Schneestürme mit all ihren Plagen euch überfallen,
dann könnet ihr in jenen Tagen nicht vor ihnen standhalten.

 

101. Kapitel
1
Ihr Himmelskinder!

Betrachtet den Himmel und jedes Werk des Höchsten!
Fürchtet euch vor ihm und tut nichts Böses in seiner Gegenwart!

2
Schließt er des Himmels Fenster

und hält er Tau und Regen zurück,
daß sie euretwegen nicht auf die Erde fallen,
was wollt ihr da tun?

3
Wenn er seinen Zorn über euch wegen eurer Werke schickt,

so könnt ihr nicht bitten;
denn ihr führet stolze und freche Reden gegen seine Gerechtigkeit.
Deshalb werdet ihr keinen Frieden haben.

4
Seht ihr nicht,

wie sich die Schiffsleute ängstigen,
wenn ihre Schiffe von den Wogen umhergeschleudert
und von den Winden geschaukelt werden?

5
Und deshalb fürchten sie sich,

weil all ihre besten Habseligkeiten mit ihnen aufs Meer wanderten,
und so bangen sie in ihren Herzen,
es möchte sie das Meer verschlingen und sie darin umkommen.

6
Ist nicht das ganze Meer,

all seine Gewässer und seine ganze Bewegung ein Werk des Höchsten?
Hat er nicht all seinem Tun Grenzen gesetzt
und es überall mit Sand umschlossen?

7
Auf Sein Drohen hin fürchtet es sich und vertrocknet,

und all seine Fische sterben, sowie alles andere darin.
Aber ihr Sünder auf Erden fürchtet Ihn nicht.

8
Schuf Er nicht den Himmel, die Erde und alles, was darin?

Wer verlieh allen,
die sich auf Erden und im Meer bewegen,
Verstand und Weisheit?

9
Fürchten nicht die Schiffsleute das Meer?

Aber die Sünder fürchten nicht den Höchsten.

 

102. Kapitel
1
Wohin wollt ihr in jenen Tagen fliehen

und wie euch retten,
wenn er über euch ein schmerzhaft Feuer bringt?
Werdet ihr nicht erschrecken und euch fürchten,
wenn er sein Wort euch entgegenschleudert?

2
Alle Leuchten werden von großer Furcht erschüttert,

und die ganze Erde wird erschrecken, zittern und zagen.

3
Alle Engel vollziehen dann ihren Befehl
[444]

und suchen sich vor der Gegenwart der großen Herrlichkeit zu verstecken.
Und die Kinder der Erde zittern und beben;
aber ihr Sünder werdet für ewig verflucht
und werdet keinen Frieden haben.

4
Fürchtet euch nicht, ihr Seelen der Gerechten!

Seid voll Hoffnung ihr,
die ihr in Gerechtigkeit starbet!

5
Trauert nicht,

wenn eure Seele in Trübsal zur Unterwelt hinabfährt
und euer Leib in eurem Leben
nichts eurer Tugend Entsprechendes erhielt!
Aber wartet nur den Tag des Gerichtes über die Sünder ab
und den Tag der Verfluchung und Bestrafung!

6
Wenn ihr sterbet,

so sagen die Sünder von euch:
„Geradeso, wie wir sterben,
so sterben auch die Gerechten.
Was nützten ihnen ihre Werke?

7
Fürwahr, wie wir,

so sterben auch sie in Kummer und Finsternis.
Was haben sie vor uns voraus?
Von jetzt an sind wir ihnen gleich.

8
Was werden sie erhalten

und was werden sie in Ewigkeit schauen?
Fürwahr, sie sind gestorben
und schauen von jetzt an auf ewig kein Licht mehr.“

9
Ich sage euch, ihr Sünder:

Ihr begnüget euch damit, zu essen und zu trinken,
zu rauben und zu sündigen
und Menschen nackt auszuziehen,
Vermögen zu erwerben und herrliche Tage zu sehen.

10
Habt ihr gesehen,

wie das Ende der Gerechten war,
daß keinerlei Gewalttätigkeit an ihnen bis zu ihrem Tod erfunden ward?

11
„Sie gingen unter

und wurden, als ob sie nicht gewesen,
und ihre Geister stiegen in Trübsal zur Unterwelt.“

 

103. Kapitel
1
Ich schwöre euch nun, ihr Gerechten,

bei der Herrlichkeit des Großen und Ruhmvollen
und Herrschaftsgewaltigen
und bei seiner Größe schwöre ich euch:

2
Ich weiß ein Geheimnis.

Ich las die himmlischen Tafeln
und sah die heiligen Bücher;
da fand ich darin geschrieben und aufgezeichnet:

[445]
3
Alles Gute, Freude und Ehre stehen für sie

und sind aufgeschrieben
für die Geister der in Gerechtigkeit Verstorbenen.
Mannigfaches Gutes wird euch zum Lohn für euer Mühen gegeben,
und euer Los wird besser als das der Lebenden.

4
Und die Geister derer unter euch, die in Gerechtigkeit sterben,

werden leben, sich freuen und fröhlich sein;
ihre Geister werden nicht vergehen,
noch ihr Andenken vor dem Angesicht des Großen
in allen Geschlechtern der Welt.
Deshalb fürchtet nicht länger ihre Schmähungen!

5
Wehe euch Sündern,

wenn ihr in der Fülle eurer Sünden sterbet
und eure Gesinnungsgenossen von euch sagen:
„Selig sind die Sünder;
sie haben alle ihre Tage erlebt.

6
Nun starben sie in Glück und Reichtum;

sie sahen in ihrem Leben weder Trübsal noch Blutvergießen;
sie starben in Ehren,
und ein Gericht ward nicht an ihnen zu Lebzeiten vollzogen.“

7
Wisset ihr nicht, daß man ihre Seelen in die Unterwelt hinabfahren läßt,

daß es ihnen dann in ihrer großen Trübsal übel ergeht?

8
In Finsternis, Ketten und Feuerflammen kommt euer Geist,

wenn das große Gericht stattfindet.
Wehe euch! Ihr werdet keinen Frieden haben.

9
Lasset nicht die Gerechten und Guten, die gelebt haben, sprechen:

„In unsern Lebenstagen haben wir uns abgeplagt
und viele Beschwerden erduldet;
wir wurden von viel Übeln betroffen
und wurden aufgerieben
und wurden wenige und schwach an Geist.

10
Wir wurden verachtet

und fanden keinen, der uns auch nur mit einem Wort geholfen hätte.
Wir wurden gepeinigt und vernichtet
und hofften nicht mehr,
das Leben von einem Tag zum andern zu sehen.

11
Wir hofften, das Haupt zu sein,

und wurden der Schweif;
wir plagten uns mühsam ab
und bekamen keinen Lohn für unsere Mühe.
Wir wurden zur Speise der Sünder und Ungerechten,
und diese legten ihr Joch schwer auf uns.

12
Die uns haßten und schlugen,

bekamen die Herrschaft über uns;
wir beugten unsere Nacken unsern Hassern;
aber sie hatten kein Erbarmen mit uns.

13
Wir suchten ihnen zu entgehen,

um uns in Sicherheit zu bringen und Ruhe zu bekommen;

[446]

aber wir fanden keinen Platz,
wohin wir fliehen und und vor ihnen retten konnten.

14
Wir klagten in unserer Trübsal bei den Menschen

und schrieen über die, die uns verschlangen;
aber sie achteten nicht auf unser Schreien
und wollten nicht auf unsere Stimme hören.

15
Sie halfen denen, die uns beraubten, verschlangen und verringerten,

sie verheimlichten ihre Gewalttat
und nahmen uns nicht das Joch derer ab,
die uns verschlangen, zerstreuten und mordeten.
Sie verheimlichten ihren Mord
und dachten nicht daran, daß sie ihre Hände gegen uns erhoben.“

 

104. Kapitel
1
Ich schwöre euch, ihr Gerechten,

daß im Himmel die Engel
von der Herrlichkeit des Großen eurer zum Guten gedenken.
Eure Namen sind von der Herrlichkeit des Großen aufgeschrieben.

2
Seid voller Hoffnung!

Denn zuerst waret ihr der Schande durch Unglück und Not preisgegeben;
jetzt aber werdet ihr wie des Himmels Lichter leuchten;
ihr werdet leuchten und gesehen werden
und die Himmelspforten stehen euch offen.

3
Aber ruft nur, ruft nach dem Gericht,

und es wird euch erscheinen;
denn an den Herrschern und allen Helfern eurer Räuber
wird eure Trübsal heimgesucht.

4
Hoffet und gebet eure Hoffnung nicht auf!

Denn ihr werdet große Freude, wie die Engel des Himmels, haben.

5
Was werdet ihr tun müssen?

Ihr braucht euch nicht am großen Gerichtstag zu verbergen
und werdet nicht als Sünder erfunden;
das ewige Gericht bleibt euch für alle Geschlechter der Welt ferne.

6
Verzaget jetzt nicht, ihr Gerechten,

wenn ihr die Sünder erstarken und in ihren Wegen glücklich sehet!
Werdet nicht ihre Genossen,
sondern haltet euch von ihrer Gewalttätigkeit ferne!
Ihr sollt ja Genossen der himmlischen Scharen werden.

7
Obwohl ihr Sünder saget:

„Keine unserer Sünden wird erkundet und aufgeschrieben,“
so schreiben sie doch alle eure Sünden jeden Tag auf.

8
Ich zeige euch nun,

daß Licht und Finsternis, Tag und Nacht all eure Sünden sehen.

9
Seid in eurem Herzen nicht gottlos!

Lüget nicht!
Ändert nicht die Worte der Wahrheit ab,
noch belastet die Worte des Heiligen, Großen mit Lügen!

[447]

Preiset nicht eure Götzen!
Denn all eure Lüge und Gottlosigkeit endet nicht in Gerechtigkeit,
sondern in großer Sünde.

10
Ich weiß auch das Geheimnis,

daß viele Sünder die Worte der Wahrheit mannigfach ändern und verdrehen
schlechte Reden führen und lügen,
große Betrügereien ausführen
und Bücher über ihre Worte schreiben.

11
Aber wenn sie alle meine Worte in ihre Sprachen richtig übersetzen,

nichts ändern und nichts von meinen Worten auslassen,
sondern alles richtig niederschreiben,
alles, was ich vorhin über sie bezeugt habe,

12
dann kenne ich ein anderes Geheimnis:

Die Bücher werden den Gerechten und Weisen übergeben
und viel Freude, Rechtschaffenheit und Weisheit bewirken.

13
Wenn die Bücher ihnen übergeben werden,

dann glauben sie daran und freuen sich darüber
und alle Gerechten, die daraus allerlei Pfade der Rechtschaffenheit erlernten,
werden belohnt.

 

105. Kapitel
1
In jenen Tagen, spricht der Herr,

sollen sie die Kinder der Erde aufrufen
und ihnen ihre Weisheit bezeugen.
Zeigt sie ihnen!
Denn ihr seid ihre Führer
und eine Belohnung für die ganze Erde.

2
Denn ich und mein Lohn werden uns mit ihnen für immer

während ihres Lebens auf den Wegen der Wahrheit vereinigen.
Ihr werdet Frieden haben.
Freuet euch, ihr Kinder der Wahrheit! Amen.

 

Schluß des Buches 106–108
106. Kapitel: Wunder bei Noes Geburt
1
Nach einigen Tagen nahm mein Sohn Metusala ein Weib für seinen Sohn Lamech;

sie ward von ihm guter Hoffnung
und gebar einen Sohn.

2
Sein Leib war weiß wie Schnee

und rot wie eine Rose,
sein Haupthaar weiß wie Wolle
und seine Augen wie Sonnenstrahlen.
Wenn er seine Augen öffnete,
dann erleuchtete er gleich der Sonne das ganze Haus,
und das ganze Haus ward sehr hell.

3
Darauf richtete er sich in den Händen der Hebamme auf,

öffnete seinen Mund
und redete mit dem Herrn der Gerechtigkeit.

[448]
4
Da fürchtete sich sein Vater Lamech vor ihm und floh;

so kam er zu seinem Vater Metusala.

5
Er sprach zu ihm:

Ich habe einen merkwürdigen Sohn;
er gleicht nicht einem Menschen,
sondern den Gottessöhnen des Himmels
und seine Natur ist verschieden;
er ist nicht wie wir;
seine Augen gleichen Sonnenstrahlen
und sein Antlitz ist majestätisch.

6
Es dünkt mir, daß er nicht von mir abstammt,

und ich fürchte,
daß in seinen Tagen auf Erden ein Wunder geschieht.

7
Nun, mein Vater, bin ich hier,

um dich flehentlich zu bitten,
du mögest zu unserm Vater Henoch gehen
von ihm die Wahrheit zu erfahren;
er wohnt ja bei den Engeln.

8
Als Metusala die Worte seines Sohnes vernommen hatte,

kam er zu mir an die Enden der Erde;
denn er hatte erfahren, daß ich hier sei.
Er rief laut
und ich vernahm seine Stimme;
dann kam ich zu ihm
und sprach zu ihm:
Mein Sohn! Hier bin ich.
Warum kamst du zu mir?

9
Er antwortete:

Ich kam zu dir wegen einer beängstigenden Sache
und wegen einer beunruhigenden Erscheinung besuchte ich dich.

10
Nun hör mich an, mein Vater!

Meinem Sohn Lamech ward ein Sohn geboren,
dessen Gestalt und Natur nicht der Natur eines Menschen gleicht.
Die Farbe seines Körpers ist weißer als Schnee und roter als Rosen,
sein Haupthaar weißer als weiße Wolle,
und seine Augen sind wie die Sonnenstrahlen;
öffnet er seine Augen,
dann erhellen sie das ganze Haus.

11
Er richtete sich unter seiner Hebamme Händen auf,

öffnete seinen Mund
und pries den Herrn des Himmels.

12
Sein Vater Lamech aber fürchtete sich vor ihm und floh zu mir;

er glaubte nicht, daß er von ihm stamme,
sondern daß er ein Abbild der Engel des Himmels sei.
So bin ich zu dir gekommen,
daß du mir die Wahrheit kundtuest.

13
Da antwortete ich, Henoch, und sprach zu ihm:

„Der Herr wird etwas Neues auf Erden schaffen.“

[449]

Dies sah ich schon in einem Gesicht
und tat dir kund,
daß im Zeitalter meines Vaters Jared
einige der Engel des Himmels das Gebot des Herrn übertraten.

14
Ja, sie begingen eine Sünde

und übertraten das Gesetz.
Sie vermischen sich mit Weibern
und sündigten mit ihnen;
sie heirateten einige davon
und zeugten mit ihnen Kinder.

15
Ein großes Verderben kommt nun über die ganze Erde;

es kommt eine Sintflut und ein großes Verderben für ein Jahr.

16
Dieser Sohn, der euch geboren ist, wird auf Erden übrigbleiben,

und seine drei Söhne werden mit ihm gerettet werden.
Wenn alle andern Menschen auf Erden sterben,
dann wird er mit seinen Söhnen gerettet werden.

17
Sie zeugen auf Erden die Riesen nicht dem Geist,

sondern dem Fleisch nach.
So kommt ein großes Strafgericht über die Erde,
und die Erde wird dann von allem Schmutz gereinigt.

18
Aber nun sage deinem Sohn Lamech,

daß der Neugeborene wirklich sein Sohn ist!
Nenne seinen Namen Noe!
Denn er bleibt übrig
und wird mit seinen Söhnen aus dem Verderben gerettet
das wegen all der Sünde
und aller der in seinen Tagen auf Erden verübten Gottlosigkeit
über die Erde kommen wird.

19
Danach wird die Gottlosigkeit noch weit größer werden

als die, die zuerst auf Erden begangen ward.
Denn ich kenne die Geheimnisse der Heiligen.
Der Herr offenbarte sie mir ja,
und ich las sie auf den himmlischen Tafeln.

 

107. Kapitel
1
Ich sah darauf geschrieben,

daß Geschlecht um Geschlecht sündigen wird,
bis ein Geschlecht der Gerechtigkeit ersteht,
der Frevel vernichtet wird, die Sünde von der Erde verschwindet
und alles Gute auf sie herabkommt.

2
Nun, mein Sohn, meld deinem Sohn Lamech,

daß dieser neugeborene Sohn wirklich sein Sohn,
und daß dies keine Lüge ist!

3
Als Metusala die Worte seines Vaters Henoch gehört hatte,

– denn er hatte ihm alle verborgenen Dinge gezeigt –,
kehrte er zurück und zeigte sie ihm.
Den Sohn nannte er Noe;
„denn er wird die Erde nach all der Vernichtung trösten.“

 

[450]
108. Kapitel: Letzte Rede Henochs
1
Ein anderes Buch,

das Henoch für seinen Sohn Metusala schrieb,
ebenso für die, die nach ihm kommen
und in der Endzeit das Gesetz halten.

2
Ihr, die ihr Gutes tatet, sollt auf diese Tage warten,

bis den Übeltätern ein Ende gemacht wird
und die Macht der Frevler ein Ende

3
Wartet nur, bis die Sünde verschwunden ist!

Denn ihre Namen werden ausgelöscht
aus dem Buch des Lebens und aus den heiligen Büchern
und ihre Nachkommen für immer vernichtet.
Ihre Geister werden niedergeschlagen werden;
sie schreien und jammern dann an einem unermeßlichen, öden Ort
und brennen in einem Feuer;
denn da ist keine Erde mehr.

4
Ich sah dort etwas wie eine unermeßliche Wolke;

wegen ihrer Tiefe konnte ich sie nicht überschauen.
Auch ich sah eine hellbrennende Feuerflamme
und Dinge wie lodernde Berge, die im Kreise sich hin und her bewegten.

5
Da fragte ich einen der heiligen Engel bei mir

und sprach zu ihm:
Was ist dies leuchtende Ding?
Es ist ja nicht ein Himmel,
sondern nur eine helleuchtende Feuerflamme,
dazu lautes Geschrei, Weinen, Gejammer und heftiger Schmerz.

6
Er sprach zu mir:

An diesen Ort, den du siehst,
bringt man die Geister der Sünder,
sowie der Lästerer und derer, die Böses tun
und alles verändern, was der Herr durch der Propheten Mund über die Zukunft verkündete.

7
Denn einiges davon ist oben im Himmel niedergeschrieben und aufgezeichnet,

damit es die Engel lesen
und damit sie das Schicksal der Sünder wissen,
sowie das der Geister der Demütigen, derer, die ihren Leib kasteiten
und dafür von Gott belohnt wurden,
derer, die von bösen Menschen beschimpft werden,

8
derer, die Gott liebten,

sonst aber weder Gold noch Silber
noch irgendein weltlich Gut gerne hatten,
sondern ihren Körper der Qual preisgaben,

9
derer, die in ihrem Leben nie nach irdischen Speisen verlangten,

sondern jedes Ding für vergänglichen Hauch hielten und danach lebten.
Der Herr prüfte sie vielfach;
aber ihre Geister wurden rein befunden,
so daß sie seinen Namen preisen konnten.

[451]
10
Ich schilderte in den Büchern

alle Belohnungen, die für sie bestimmt waren.
Er bestimmte ihnen ja dafür einen Lohn,
daß sie als solche erfunden wurden,
die den Himmel mehr als ihr Leben in der Welt liebten,
und die mich priesen,
während sie von bösen Menschen mit Füßen getreten,
Schmähungen und Lästerungen von ihnen erduldeten
und beschimpft wurden.

11
Aber nun rufe ich die Geister der Guten,

die zum Geschlecht des Lichtes gehören,
und verkläre die in Finsternis Geborenen,
die in ihrem Fleisch nicht so mit Ehre belohnt wurden,
wie es sich für ihre Treue geziemt hätte.

12
Ich will in helles Licht die

die meinen heiligen Namen liebten,
und ich setze jeden einzelnen auf seinen Ehrenthron.

13
Sie werden zahllose Zeiten hindurch glänzen;

denn Gerechtigkeit ist das Gericht Gottes.
Denn den Treuen lohnt er in der Wohnung rechtschaffener Wege.

14
Sie sehen,

wie die in Finsternis Geborenen in die Finsternis geworfen werden,
während die Gerechten glänzen.

15
Die Sünder aber schreien laut auf,

wenn sie sehen, wie jene glänzen,
und sie gehen dahin,
wo ihnen Tage und Zeiten bestimmt sind.

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